Die im Juni 2003 gestartete europäische Raumsonde Mars Express hat jetzt eine kleine Sensation erbracht (Plaut et al 2007): Es gibt offenbar auch heute riesige Wassermengen auf dem Mars. Damit wäre der Mars wahrscheinlich bereits wenigstens der vierte Ort in unserem Sonnensystem außerhalb der Erde, wo Wasser entdeckt wurde. Kürzlich wurde über Wasser auf dem Saturnmond Enceladus berichtet (Nimmo et al. 2007). Der Jupitermond Europa hat wahrscheinlich ganze Ozeane unter einer dicken Eisschicht und auf dem Merkur finden sich in Polkratern Eisablagerungen. Dafür, dass früher auf dem Mars Wasser geflossen ist, wurden schon lange geologische Argumente angeführt. Dazu gehören Landschaftsformen, die an ausgetrocknete Flussbetten erinnern, und Rundungen von Steinen, die auf Wassertransport hinweisen (vgl. Pailer & Krabbe 2006). Wie viel Wasser in welcher Marsperiode wirklich geflossen ist, ist jedoch immer noch Gegenstand von Untersuchungen und Debatten. Im Jahr 2002 kamen durch die Analyse von Aufnahmen der Marssonden Mars Global Surveyor und Mars Odyssey weitere Hinweise dazu, die schließlich auf Oberflächeneis an den Marspolen hindeuteten.
Die Pole des Mars tragen eine etwa 1000 km durchmessende hellweiße Kappe aus Trockeneis und Wassereis untermischt mit Staubschichten. Diese Kappen wurden zuerst von den Mariner- und Viking-Marssonden untersucht. Das Mars Advanced Radar for Subsurface and Ionospheric Sounding (MARSIS) genannte Instrument an Bord des Mars-Express ermöglichte nun aber erstmals, den Marsboden tiefer als einige Meter unter der Oberfläche zu untersuchen. MARSIS arbeitet ähnlich wie ein Sonargerät: Über zwei meterlange Antennen sendet es gleichzeitig Radarpulse auf 4 Wellenlängen zwischen 1,3 bis 5,5 MHz gen Mars und registriert die Echos. Deren Zahl und Laufzeit geben Auskunft über die Struktur des Untergrunds und der Atmosphäre. Es kann bei einer Tiefenauflösung von etwa 100 m bis 5 km in den Boden „hineinsehen“, die seitliche Auflösung ist 10-30 km quer und 5-10 km entlang der Flugrichtung. Vergleichbare Geräte werden auf der Erde bei der Vermessung von Gletschern verwendet. MARSIS kann etwa 26 Minuten während jedes knapp siebenstündigen, elliptischen Marsumlaufs verwendet werden immer wenn Mars Express zwischen 250 und 800 km über dem Planeten steht.
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Abb. 2: Höhenkarte des Mars-Südpols nach Daten des Mars Global Surveyors. Die mit A und C markierten Linien zeigen die in Abb. 3 dargestellten Messungen während zweier verschiedener Überflüge der Polregion durch die Mars-Express-Sonde der europäischen Raumfahrtbehörde ESA. (ESA/JPL/ASI/HESA/Univ. of Rome/ MOLA Science Team, Abdruck mit freundlicher Genehmigung.) |
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In mehr als 300 Einzelschnitten und bis in 3,7 km Tiefe durchleuchtete MARSIS die geschichteten Eisdecken am Südpol in der Zeit zwischen November 2005 und April 2006 während 60 Umkreisungen (Abb. 1). Die Bahn der Sonde wurde so angepasst, dass ein möglichst großes Areal erfasst werden konnte. Mindestens 90% des gefrorenen Eis-Staub-Sand-Gemisches, das sich über eine Fläche so groß wie der Kontinent Europa erstreckt, besteht aus Wassereis. Gleichzeitig scheint die über 150 km dicke Kruste des Mars so stabil zu sein, dass sie sich unter dem Eispanzer insgesamt nicht merklich durchbiegt, wie es auf der Erde der Fall wäre (Abb. 2). Einige lokale Senken könnten von einer nur dort veränderten geologischen Zusammensetzung oder z.B. Meteoritenkratern herrühren.
Die Nordpolregion des Mars wurde im Juni 2005 während zweier Umkreisungen untersucht (Picardi et al 2005). Auch hier erwies sich die Kruste als vergleichbar fest wie in der Südpolregion und auch hier zeigte sich, dass die Polkappe aus fast reinem Wassereis besteht und stellenweise höchstens 2% Verunreinigungen aufweist. Aufgrund der nur wenigen Messwerte konnte die Gesamtmenge des Wassereises aber nicht berechnet werden. Auch an anderen Stellen gibt es Wasser(eis) auf dem Mars. Der Mars Global Surveyor fand sogar deutliche Hinweise auf flüssiges Wasser unweit der Marsoberfläche (Malin et al 2006).
Die Südpolregion des Mars enthält mit 1,6 x 106 km3 genug Wasser, um den gesamten Planeten mit einer 11 m dicken Schicht zu bedecken. Für Theorien zur evolutionären Entstehung des Lebens ist Wasser von zentraler Bedeutung: „Leben, wie wir es kennen, ist ohne Anwesenheit von Wasser nicht denkbar. […] Daher wurde z.B. über die Anzeichen von flüssigem Wasser auf dem Jupitermond Europa so enthusiastisch berichtet und über mögliches Leben spekuliert. Wesley Huntress, NASA-Chef für Weltraumwissenschaften, brachte diese Haltung damals wie folgt auf den Punkt: „Wo es Wasser in flüssiger Form und chemische Energie gibt, dort gibt es auch Leben es gibt keine Ausnahme.“ Also: Wasser + Energie = Leben? Flugs wird aus einer notwendigen Voraussetzung eine hinreichende“ (Pailer 1999, 52).
Von evolutionstheoretischer Seite wurden bis heute keine plausiblen Modelle vorgelegt, wie Leben von selbst entstehen könnte (Junker & Scherer 2006; Binder 2007). Die Anwesenheit von Wasser und Energie ändern diesen Tatbestand nicht.
Hinzu kommt, dass Leben auf der Erde zwar selbst unter und vielleicht auch in der kilometerdicken Eisdecke antarktischer Seen bekannt ist, diese Orte sind jedoch im Vergleich zu den Bedingungen auf dem Mars noch geradezu paradiesisch. Außerdem ist das dort existierende Leben in nichts „primitiver“ als anderswo auf der Erde (Binder 2000). Interessanterweise scheinen auch die Pressemeldungen der letzten Jahre immer bescheidener zu werden: Wollte man vor einem Jahrzehnt noch in einem Marsmeteoriten Bakterienfossilien gefunden haben, was sich nachträglich nicht bestätigte (Lindemann 1999), so wurde vor 3 Jahren bakterielles Leben als Quelle für Methanspuren in der Marsatmosphäre nur noch als eine unter mehreren Möglichkeiten angesehen (Lindemann 2005). Und bei dieser jüngsten Entdeckung durch MARSIS geschieht nun auch keine publizistische Vermarktung von Wasser als „Beweis für Leben“. Daran ändert selbst die von Plaut et al. (2007) und Picardi et al. (2005) als gering eingeschätzte Wahrscheinlichkeit von flüssigem Wasser in der Tiefe der Ablagerungen nichts mehr.
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Abb. 3: A MARSIS-Messung während Umlauf 2753, die die typische Struktur der Polab-lagerungen zeigt. B Die Marstopographie entlang der Messlinie. Die untere Echoverstärkung (Pfeile in A) wird als die Grenze der Eisablagerungen zur Marskruste gedeutet. Das darüberliegende Eisgebiet zeigt eine gebänderte Struktur von maximal 1,6 km Dicke. C, D Dasselbe für Umlauf 2682. Die beiden Gebirgszüge (in A und C) stellen das Relief entlang der weißen Linien in Abb. 2 dar. E Marsoberfläche (schwarze Linie) und Marskruste (blaue Linie) am selben Umlauf. Deutlich ist zu sehen, dass Eisablagerungen eine bergartige Struktur auf der eigentlichen Marskruste bilden. (NASA/JPL/ASI/ESA/Univ. of Rome/MOLA Science Team, Abdruck mit freundlicher Genehmigung; unten nach Plaut 2007) |
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