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32. Jahrgang / Heft 1 - Mai 2025
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Titelbild: Lange galt das sogenannte sekundäre Kiefergelenk der Säugetiere als eine Säule der Evolutionstheorie. Neue Funde stellen dies in Frage (s. S. 46). Das Bild zeigt eine künstlerische Rekonstruktion von dem fossilen Cynodonten Brasilodon. (Nach Jorge Blanco, CC BY 2.5, Wikimedia). |
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Themen
- R. Junker
- Das Ende des Ähnlichkeitsbeweises für Evolution?
- B. Scholl
- Herrscher der Nacht: die Eulen. Ein einziger Grundtyp?
- M. Brandt
- „Homo“ naledi mit menschlicher Intelligenz? Kontroverse um Felskunst, Totenbestattung, Feuer- und Steinwerkzeugnutzung
- B. Schmidtgall
- Reparaturmechanismen in der Zelle. 3. Lipide – brüchige Bausteine des Lebens
Kurzbeiträge
- H. Kutzelnigg
- Der Grundtyp der Pfingstrosen (Familie Paeoniaceae)
- R. Brandt
- Dreifach unabhängiger Ursprung von Krugfallen
- H. Ullrich
- Das Kiefergelenk der Säugetiere. Eine Säule der Evolution verliert ihr Fundament
- B. Scholl & P. Borger
- Evolutionärer Stillstand auf molekularer Ebene bei Knochenhechten als „lebenden Fossilien“
- R. Junker
- Medizin-Nobelpreis, microRNA und der Birkenspanner
- P. Borger
- Genom-Dynamik erklärt Variation und Artbildung. Das Beispiel der Ringelwürmer
Streiflichter
- Tauchende Vögel – 14-mal unabhängig entstanden
- Leuchtende Schnecke aus der Mitternachtszone – ein erstaunliches Mosaik
- Oviraptorosaurier Yuanyanglong – eine weitere Mosaikform
- Wie lokalisieren Pflanzen eine Lichtquelle?
- Heidelberger Menschen auf Bärenjagd
- Bernstein auch in der Antarktis
- Katastrophale Kaskade von Ereignissen in Grönland
- Jagen Buckelwale mit genial konstruierten Netzen?
- Dinosaurier-Autobahn in England – „transkontinentale“ Verbindung in Gondwana
Kommentar
- B. Schmidtgall & B. Scholl
- Nature über die Entstehung des Lebens
Editorial
Nicht immer gewinnen die besseren Argumente im Wettkampf der Ideen. Oftmals ist es die scheinbare Plausibilität einer Hypothese, die zunächst eingängig ist und dadurch viele Befürworter erlangt. Das kopernikanische Weltbild etablierte sich erst über ein Jahrhundert nach dem Tod des Kopernikus, und eine Mehrheit der Gelehrten glaubte bis zur Zeit der bekannten Experimente von Louis Pasteur, dass Lebewesen spontan aus toter Materie entstehen können.
Auch der Siegeszug der Evolutionslehre beruht zu einem großen Teil auf der zunächst plausibel erscheinenden Überzeugungskraft des „Ähnlichkeitsarguments“. Diesem Argument zufolge belegen Ähnlichkeiten in Körperbau und Genetik verschiedener Lebewesen deren gemeinsame Abstammung. Dies ist eine Annahme, die auf den ersten Blick sehr gut zu unserer Erfahrung zu passen scheint, da bei nahe verwandten Individuen, die aus einer unmittelbar beobachtbaren Vorfahrenschaft hervorgehen, sehr viele ähnliche Merkmale vorliegen. Da liegt der Analogieschluss nahe, dass das auch für Abstammungsverhältnisse gilt, die viel längere Zeitspannen in Anspruch genommen haben sollen und sich einer direkten Beobachtung entziehen. Bereits Darwin argumentierte mit dem Ähnlichkeitsargument auf der anatomischen Ebene. Später, nach der Entwicklung von Sequenzierungsmethoden, wurde dieses Argument dann vermehrt auf der molekulargenetischen Ebene angewendet. Im Laufe der Zeit wurde durch den Siegeszug des Darwinismus das Einordnen von Organismen in evolutionäre Stammbäume zu einem inhaltlichen Kernaspekt des Biologiestudiums. Und bis heute findet das Ähnlichkeitsargument eine breite Akzeptanz. Gelegentlich wird es auch als „Widerlegung der Schöpfungslehre“ präsentiert wie im folgenden Zitat:
„Der Flügel der Fledermaus, die Hand des Menschen, die Grabschaufel des Maulwurfs oder die Flosse des Delfins sind sich ähnlich, obwohl kein Konstrukteur sie so bauen würde“ (Zrzavý J, Storch D & Mihulka S [2013] Evolution. Ein Lese-Lehrbuch. 2. Aufl. Heidelberg, S. 159).
In der vorliegenden Ausgabe sind mehrere Beiträge diesem zentralen Aspekt der Debatte um Schöpfung oder Evolution gewidmet. Reinhard Junker beschreibt in einem ausführlichen Artikel, warum das Ähnlichkeitsargument im Licht jüngerer Befunde aus einer Studie von Stuart Burgess seine frühere Überzeugungskraft in Bezug auf die Wirbeltierextremitäten verloren hat. Es wird deutlich, dass die Interpretation von deren Ähnlichkeiten als Notwendigkeit eines funktional bedingten Designs überzeugender ist.
Auffällige Ähnlichkeiten bei ansonsten sehr unterschiedlichen Lebewesen können ebenfalls sehr problematisch für Abstammungshypothesen sein. Immer häufiger besteht die Notwendigkeit, eine unabhängige Entstehung komplexer gemeinsamer Merkmale zu postulieren: Konvergenzen. Henrik Ullrich zeigt in einem Kurzbeitrag auf, dass neue Fossilfunde von nicht-säugetierähnlichen Cynodonten für evolutionäre Abstammungsrekonstruktionen hinsichtlich der Säugetiere ernsthafte Probleme bereiten. Ein weiteres interessantes Beispiel für aus Sicht der Evolutionslehre unerwartete Ähnlichkeiten diskutiert Ronny Brandt: In drei recht verschiedenen Pflanzenfamilien kommen überraschend ähnliche Krugfallen zum Fangen von Insekten vor.
Weiterhin zeigt sich vermehrt, dass es klar abgrenzbare Typen des Lebens gibt, die sich auf genetischer, anatomischer und verhaltensbiologischer Ebene nicht widerspruchsfrei in Stammbäume einfügen lassen. Ein schönes Beispiel hierfür sind die faszinierenden Eulen, zu denen kaum nahe verwandte Vogeltypen zu finden sind, wie Benjamin Scholl in einem ausführlichen Artikel darlegt. Ein weiteres Exempel einer sehr gut nach außen abgrenzbaren Gruppe stellen die Pfingstrosen dar, die von Herfried Kutzelnigg beschrieben werden. Einen Beitrag zur Einzigartigkeit des Menschen hat Michael Brandt verfasst. Er analysiert kritisch eine neue Hypothese, der zufolge der großaffenartige „Homo“ naledi menschliche Fähigkeiten besessen haben soll.
Doch damit nicht genug. Es gibt weitere ganz grundsätzlich kritische Einwände gegen den Darwinismus, die in dieser Ausgabe thematisiert werden. Dazu zählen die hochgradig effizienten und nichtreduzierbar komplexen biochemischen Funktionseinheiten zur Wiederherstellung und Instandhaltung der Lipide, die entsprechend dem Artikel von Boris Schmidtgall gegen eine schrittweise evolutive Entstehung der Zelle sprechen. Auch der Farbwechsel des Birkenspanners lässt sich mit heutigem Wissen ganz anders erklären, als es das bekannte Lehrbuchbeispiel zu Mutation und Selektion verlauten lässt, wie Reinhard Junker darlegt. Auch Peter Borger zeigt, dass die massiven Umstrukturierungen im Genom von Ringelwürmern bisherigen evolutionären Erwartungen zum Wirken der Selektion widerspricht.
Wir hoffen, Ihnen damit viele Gründe zum Staunen geben und Anregungen zur Beurteilung von Hypothesen der Schöpfungs- und Evolutionslehre vermitteln zu können. Wir wünschen Ihnen eine erfreuliche Lektüre.
Ihre Redaktion STUDIUM INTEGRALE JOURNAL
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