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EditorialDie Photosynthese der grünen Pflanzen ist der bedeutendste und produktivste biochemische Prozess der Erde. Die meisten Lebewesen sind von ihm direkt oder indirekt abhängig. Durch die Photosynthese wird die von der Sonne kommende Lichtenergie in chemische Energie umgewandelt und auf diese Weise für die Biosphäre zugänglich gemacht. Dieser grundlegende Prozess läuft nach verschiedenen Mechanismen ab, für deren Entstehung unterschiedliche Hypothesen diskutiert werden. So wird eine besondere Form, die sogenannte C4-Photosynthese, als Beleg für Makroevolution diskutiert. Denn der C4-Weg der Photosynthese unterscheidet sich deutlich von der C3-Photosynthese der meisten Pflanzen. Er ist in mancher Hinsicht effektiver als die C3-Form und es gibt C3-C4-Mischtypen, die sowohl C3- als auch C4-typische Elemente vereinigen. Handelt es sich dabei um Makroevolution in statu nascendi? Herfried KUTZELNIGG widmet sich in seinem Beitrag besonders dieser Frage und kommt zum Schluss, dass die vorliegenden Daten mindestens ebenso gut zum Konzept polyvalenter Grundtypen passen. Demnach ist der C4-Komplex zum Erbgut der Vorfahren bereits latent vorhanden und kann im Bedarfsfall aktiviert werden. Dieses Konzept passt neben anderem auch zum Befund der unsystematischen Verteilung der C4-Photosynthese im System der Pflanzen. Evolutionstheoretisch müsste nämlich eine 45-malige unabhängige Entstehung des C4-Komplexes angenommen werden. Diese rekordverdächtig hohe Anzahl von Konvergenzen verlangt nach Erklärungen. So wurde angenommen, der Selektionsdruck von der C3-Photosynthese in Richtung C4-Photosynthese sei extrem hoch, weil das Schlüsselenzym der C3-Photosynthese, die Rubisco, eine Fehlkonstruktion darstelle, während das C4-typische Enzym PEP-Carboxylase wesentlich besser arbeite. Dies überrascht allein schon deshalb, weil die Rubisco das häufigste Enzym auf unserem Planeten ist, und KUTZELNIGG stellt denn auch Argumente zusammen, die zeigen, dass die Annahme einer Fehlkonstruktion unberechtigt ist. Das gilt auch für das wohl berühmteste Beispiel einer vermeintlichen „Fehlkonstruktion“, den Wurmfortsatz des menschlichen Blinddarms. Zweifel an dessen Mängel waren schon länger angebracht, nun aber dürften neue Erkenntnisse endgültig gezeigt haben, dass der Wurmfortsatz in Wirklichkeit ein nützliches Organ ist. Reinhard JUNKER berichtet darüber im Beitrag über den Wurmfortsatz als „Rettungsstation“. Ebenfalls ein häufig zitiertes Beispiel eines evolutionär bedingten Mangels, der einem Schöpfer nicht unterlaufen wäre, ist die inverse („verkehrte“) Lage der Netzhaut des Linsenauges der Wirbeltiere. Auch dazu wurden schon viele Gegenargumente angeführt, und auch hier liegen neue Studien vor, die im Gegenteil ein „geistreiches Design“ aufdeckten, wie Henrik ULLRICH berichtet. „Design“ ist überhaupt immer wieder ein Thema in der heutigen Biologie mehr denn je, und zwar nicht wegen der „Intelligent Design“-Bewegung, sondern weil die Strukturen und Abläufe, die Biologen entdecken, den Forschern ein entsprechendes „Design“-Vokabular abnötigen. In mehreren Beiträgen dieser Ausgabe geht es um dieses „reizende“ Thema. Theresa HALLER und Christoph HEILIG widmen sich dem sich wandelnden Bedeutungsgehalt dieses Begriffs in einem Essay und machen darauf aufmerksam. dass der „Design“-Begriff zunehmend seiner ursprünglichen Bedeutung entfremdet und evolutionstheoretisch gefüllt wird. Diese Entwicklung ist problematisch, weil es schwierig wird, sich zu verständigen, wenn eingeführte Begriffe mit ganz neuem Inhalt gefüllt werden. Ein kontroverses Thema der Evolutionsforschung ist die hypothetische stammesgeschichtliche Verbindung zwischen Theropoden-Dinosauriern und Vögeln. Dass die heutigen Vögel der letzte übriggebliebene Ast des Dinosaurier-Stammbaums sind, gilt für viele als nahezu bewiesen. Doch manche Merkmale sperren sich gegen diese Deutung. Dazu gehört der Bau der Dinohand, aus der der Vogelflügel evolutionstheoretisch abgeleitet wird. Henrik ULLRICH hat die einschlägigen Arbeiten zu diesem Thema gesichtet und kommt zum interessanten Ergebnis, dass die Befunde eine vielfältige und sehr kontroverse Deutung erlauben und kein klares Bild ergeben. Einmal mehr zeigt sich, dass je nach Perspektive verschiedene, sich widersprechende Homologiezuweisungen resultieren. Ein Schlüssel zur Bestimmung der „korrekten“ (stammesgeschichtlich relevanten) Homologie liegt aber nicht vor. Damit liefert der Vergleich von Dinohand und Vogelflügel keinen unabhängigen Beleg für eine gemeinsame Abstammung. Ihre Redaktion Studium Integrale journal | ![]() |
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