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8. Jahrgang / Heft 2 Oktober 2001
EditorialDas wissenschaftlich interessierte Publikum wurde Herbst letzten Jahres von einer Welle an Darstellungen zur Überflutung des Schwarzen Meeres überrollt. Ein Äquivalent von 200 Niagara Fällen soll sich vor 7.500 Jahren über eine neolithische Kultur ergossen haben, die heute rund 100 m unter dem Wasserspiegel per Echolot von Naturwissenschaftlern unterschiedlicher Fachrichtungen studiert wird. Die biblische Flut zur Zeit Noahs, so war es in der Tagespresse zu lesen, könne nun anhand der geologischen Geschichte des Schwarzen Meeres mit dem natürlichen Genozid an der damaligen Kulturwiege erklärt werden. Die Bibel beschreibt allerdings eine noch weit umfangreichere Überflutung. Im zweiten Teil des Artikels „Die Reliktlandschaften des Colorado Plateaus und Grand Canyons“ stellen Thomas HERZOG und Achim ZIMMERMANN die Eintiefung des Grand Canyons im US-Bundesstaat Arizona vor, und vieles spricht so die Autoren ebenfalls für eine geologisch nachvollziehbare Flutkatastrophe, deren Relikt der Grand Canyon ist. Die Entstehung wird zwar seit 1967 mit relativ dynamischen geologischen Prozessen beschrieben, die bisherigen Modelle fassen aber noch lange nicht die Dimensionen, die sich aus der Geländesituation ableiten lassen: Innerhalb einer Periode von maximal 2 Millionen Jahren (Ma) wurden aus dem Colorado Plateau im Bundesstaat Arizona 4.000 km3 Gestein herausgeschnitten, zeitgleich erfolgte die Abtragung der gewaltigen Flächen der nördlichen Plateaus um 2000 Höhenmeter. Während der Erosion blieb jedoch die seit 35 bis 65 Ma sanft gewellte und durch Schotter versiegelte Reliktlandschaft der südlichen Colorado Plateaus verschont (ihre Formung wurde in der letzten Ausgabe von Studium Integrale journal betrachtet) und die Erosion verlief so vehement, daß eine bis zu 1,8 km tiefe Trasse quer durch ältere Canyons, viele hundertmeter-höhere Höhenzüge und junge Vulkangebirge geschnitten wurde und von den transportierten Gesteinsmassen bisher nur kleine Volumina in den umliegenden Sedimentbecken und Deltas wiedergefunden wurden. Trotz aller dieser Hinweise auf die Flutkatastrophe am Grand Canyon haben keine bekannten Wissenschaftler ein solches Ereignis in Betracht gezogen. Die Geologie bleibt auch anderer Stelle von kleineren „Revolutionen“ nicht verschont. So ist die Granitforschung im Moment daran, die Entstehungszeiten für Granitkomplexe erheblich zurückzunehmen. Neue Daten über Gesteinseigenschaften bei Temperaturen, Drücken und Wassergehalten, wie sie in der Erdkruste vorkommen, sowie realistischere Annahmen über die Gesteinsdeformationen und Magmenbewegungen in und unter der Erdkruste veranlaßten die Granitforscher, die angestammten Modelle zum Teil grundsätzlich zu revidieren. Franz EGLI-ARM gibt einen aktuellen Überblick über den Stand der Forschung. Ein weiterer Beitrag betrifft ebenfalls Altersfragen jedoch von einer ganz anderen Seite her. Es geht um die Reaktivierung von Mikroorganismen, die Gesteinsproben entnommen wurden, welche auf bis zu mehrere hundert Millionen Jahre datiert werden. Neuere Studien geben deutliche Hinweise darauf, daß es sich bei solchen Mikroorganismen, die schon früher aus alten Gesteinen isoliert wurden, nicht um Kontaminationen handelt. Damit stellt sich die Frage nach der Diskrepanz zwischen behaupteten langen Überlebenszeiten und den dazu im Widerspruch stehenden molekularbiologischen und biochemischen Kenntnissen über die Dauer der Lebensfähigkeit. Harald BINDER schildert Hintergründe und die aktuelle Diskussion. Immer wieder rütteln neue Funde von sog. „Urmenschen“ am evolutionstheoretischen Stammbaum. Der als „Millenium-Man“ in der Tagespresse bekannt gewordene Orrorin sowie Kenyanthropus machten in diesem Jahr in der Fachwelt sehr von sich reden. Einmal mehr zeigt sich, daß neue Funde nicht die erhoffte Klarheit über offene Fragen bringen, sondern eher etablierte Vorstellungen ins Wanken bringen. Die Funde schieben nach Auffassung einiger Forscher die meisten (wenn nicht alle) Australopithecinen auf einen Seitenast im Stammbaum des Menschen. Alternativ zur evolutionstheoretischen Deutung kristallisieren sich abgrenzbare Grundtypen heraus. Sigrid HARTWIG-SCHERER beschreibt die neue Situation. Bemerkenswertes ist auch von ganz anderen Lebewesen zu berichten. Die Insektenwelt überrascht immer wieder mit erstaunlichen Fähigkeiten. Drei jüngst entdeckte Beispiele beschreibt Klaus NEUHAUS: Ameisen, die Flächen bestimmen, Fliegen, die trotz ihrer Kleinheit die Richtung von Geräuschen wahrnehmen können und Wespen, die ihre im Holz versteckte Beute mit Echo orten. Wie die Insekten wohl zu diesen Fähigkeiten gekommen sind? Ihre Redaktion Studium Integrale journal |
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