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Freßfeinde als Selektionsfaktor.Nach den Studien von Reznick et al. erwiesen sich Freßfeinde als wesentlicher Selektionsfaktor. 1981 wurden Wildguppys aus zwei verschiedenen Wasserläufen, Nebenflüssen des El Cedro und Aripo Rivers in Trinidad untersucht, in denen entweder viele oder wenige Räuber vorkommen. Die Raubfische sind durch Wasserfälle von stromaufwärts liegenden Wasserläufen abgeschnitten. Reznicks Team stellte fest, daß sich Guppys in der Wildnis durch Größe, Vermehrungsstrategien und andere Merkmalen auf die Räuber eingestellt haben. So leben die Fische in räuberarmen Gewässern länger, paaren sich meist später, zeugen weniger Nachwuchs und sind größer als ihre Artgenossen in räuberreichen Flußläufen. Laborstudien zeigten, daß die Unterschiede genetisch fixiert sind. |
Ergebnisse von Umsiedlungen.Guppys von einem durch einen Wasserfall getrennten räuberreichen Nebenfluß des Aripo Rivers wurden in einen stromaufwärts gelegenen Fluß, in dem zuvor keine Guppys lebten, ausgesetzt. Dort gab es nur einen Freßfeind, den Killifisch Rivulus hartii, ein Allesfresser, der nur manchmal Jagd auf Guppys macht. Nach nur vier Jahren wiesen männliche Guppys eine Gewichtszunahme von 15% auf. Nach elf Jahren bzw. 18 Generationen hatten sich die Fische auch durch größere Lebensdauer, spätere Geschlechtsreife, geringere Nachkommenzahl und Größenzunahme der Nachkommen angepaßt. Studien im El Cedro-River brachten ähnliche Ergebnisse. Allerdings zeigten Weibchen nach vier Jahren noch keine signifikanten Veränderungen. Erst nach 7,5 Jahren reiften sie wie die Männchen ebenfalls in einem späteren Alter und wurden größer als die Kontroll-Gruppe. Die Unterschiede in der Vererbung von männlichen und weiblichen Merkmalen könnten dadurch begründet sein, daß die betreffenden Merkmale in den Männchen (nachgewiesenermaßen) mit dem Y-Chromosom assoziiert sind, was eine schnellere Anpassungsmöglichkeit erlaubt (Reznick et al. 1997, 1935). |
Evolutionstheoretische Betrachtungen.Derart schnelle Veränderungen, wie sie bei den Guppys beobachtet wurden, sind durch eine polyvalente (genetisch vielseitige) Ausgangsform (vgl. Scherer 1993) möglich. Dabei bewegen sich die Unterschiede offenkundig im mikroevolutiven Bereich, da keine neuartigen Strukturen gebildet werden. Ähnliche Beobachtungen wurden an den Darwinfinken auf den Galapagos-Inseln gemacht: In Dürrejahren überlebten mehr größere und großschnäbligere Finken; eine Verschiebung der Häufigkeiten erfolgte ebenfalls in wenigen Jahren. Ein weiteres Beispiel dieser Art sind Leguane, deren Hinterbeinlänge mit der Art der Vegetation korreliert ist (vgl. Neuhaus 1997). Bleibt die (neue) Umgebung konstant, wird ein neues Gleichgewicht eingestellt, wenn das neue Optimum erreicht ist. |
Mikro-Evolutions-Geschwindigkeit.Reznick et al. (1997) stellten bei den Studien an den Guppys eine um bis zu 10 Millionen mal höhere Evolutionsgeschwindigkeit gegenüber den aus Fossilreihen abgeleiteten Geschwindigkeiten fest. Die Autoren stellen die Frage: Wenn (Mikro-)Evolution so schnell ablaufen kann, warum erscheint sie dann als ein viel langsamerer Prozeß in der Paläontologie? Die Antwort könnte lauten, daß Änderungen nur bei einem Wechsel von Umweltparametern auftreten. Nur gelegentlich wird es zu deutlichen Verschiebungen kommen, die dann aber abrupt ablaufen können. Manche Forscher sind sich nicht sicher, ob solche Kurzzeit-Studien überhaupt irgendeine Bedeutung für die Deutung von Fossilien haben. Die Evolutionsbiologin Amy McCune von der Cornell University sagt: "His study is fine, but his conclusions drive me crazy. He's overstepped the boundaries of what it means" (zit. in Morell 1997). Sie hält einen Vergleich mit Fossilbelegen für nicht bedeutungsvoll. Ihrer Meinung nach stellt das elfjährige Guppy- Experiment voller Merkmalswechsel eine "Eintagsfliege" dar. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß es sich im Gegensatz zu paläontologischen Studien mikroevolutiver Formenabfolgen hier um Feldstudien handelt, bei denen die Veränderungsraten und die zugrundeliegenden Ursachen direkt untersucht werden konnten. Klar ist jedenfalls, daß aus biologischer Sicht für paläontologisch belegte mikroevolutionäre Vorgänge keine größeren Zeitspannen gefordert werden müssen. |
Literatur
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