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Neuer Detektor für Dunkle Materie sieht nichts
von Peter Trüb
Studium Integrale Journal
11. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2004
Seite 76 - 77
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Zusammenfassung: Die Suche nach der geheimnisvollen Dunklen Materie bleibt weiterhin spannend. Ein neuer, hoch empfindlicher Detektor fand trotz intensiver Suche bislang keinen Hinweis auf deren Existenz. Dies widerspricht (möglicherweise) früheren Experimenten, bei denen angeblich Hinweise auf Dunkle Materie gefunden worden waren. Damit bleibt die Existenz Dunkler Materie, welche für ein widerspruchsfreies Urknallmodell unverzichtbar ist, weiterhin im Dunkeln.
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Einleitung
Der größte Teil der Materie im Universum besteht aus Dunkler Materie. So jedenfalls sieht es das gegenwärtige Standardmodell der Kosmologie, das Urknallmodell. Dunkel bedeutet, daß diese Materie keine oder nur wenig elektromagnetische Strahlung aussendet, weshalb sie mit Teleskopen nicht direkt beobachtbar ist. Als Hinweise für die Existenz Dunkler Materie gelten das Rotationsverhalten von Spiralgalaxien, die Bewegung von Galaxien innerhalb von Galaxienhaufen, aber auch Massebestimmungen von Galaxienhaufen auf Grund des so genannten Gravitationslinseneffekts. Interessanterweise beruhen viele der angeführten Argumente auf der Annahme, daß die beobachteten Strukturen bereits seit Milliarden von Jahren existieren.
Der Grund dafür, daß Dunkle Materie immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung ist, liegt darin, daß trotz jahrzehntelanger Suche bisher nicht nachgewiesen werden konnte, woraus diese Materiekomponente besteht. Doch ohne die Existenz einer Art Dunkler Materie ist kein konsistentes Urknallmodell möglich. Beispielsweise haben theoretische Berechnungen und Computersimulationen gezeigt, daß die Entstehung der heute sichtbaren Strukturen im Universum ohne die Existenz Dunkler Materie im Standardmodell nicht verstanden werden kann (Longair 1998).
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Woraus besteht die Dunkle Materie?
Für das Urknallmodell stellt sich die Frage, woraus die Dunkle Materie bestehen könnte. Die Bestandteile des Atomkerns, also die Neutronen und Protonen, gehören zu einer Gruppe von Teilchen, die man Baryonen nennt. Diese Teilchen sind die Hauptbestandteile der Atome, aus denen die uns bekannte Welt aufgebaut ist. Die einfachste Möglichkeit wäre, daß die gesuchte fehlende Materie auch aus Baryonen besteht. Zur baryonischen Dunklen Materie könnten relativ kleine, dunkle Objekte, wie zum Beispiel Braune oder Weiße Zwerge, beitragen. Über die Suche nach solchen Objekten in unserer Milchstraße berichtete Oliver Beck im Studium Integrale Journal vom April 2003. Er kommt zum Schluß, daß diese Suche bisher wenig erfolgreich war (Beck 2003).
Das gängige Bild der Elementsynthese im Urknallmodell erlaubt jedoch nicht, daß die fehlende Dunkle Materie vollständig aus Baryonen besteht. Der größte Anteil soll nichtbaryonischer Natur sein (Gondolo 2004). Eine oft diskutierte Möglichkeit ist, daß die nichtbaryonische Materie aus schweren Teilchen besteht, welche nur sehr schwach mit Baryonen wechselwirken. Solche Teilchen werden abgekürzt als WIMPs (weakly interacting massive particles) bezeichnet. Ein bekanntes Beispiel für ein WIMP ist das (bisher nicht nachgewiesene) Neutralino, welches das leichteste neutrale Teilchen in manchen supersymmetrischen Theorien ist. Auch schwere Neutrinos würden als WIMPs klassifiziert.
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Das CDMS Experiment
Nach genau solchen WIMPs halten die Detektoren des CDMS (Cryogenic Dark Matter Search) Experiments in Minnesota (USA) Ausschau. Sie sind aus vier Germanium- und zwei Siliziumdetektoren (Abb. 1) aufgebaut, welche auf einige Millikelvin gekühlt werden, um thermische Anregungen zu vermeiden. Zudem sind die Detektoren von einem Schutzmantel aus Kupfer, Blei und Polyethylen umgeben, um Photonen und Neutronen der Umgebung von ihnen abzuhalten. Damit möglichst wenig kosmische Strahlen bis zu den Detektoren vordringen können, wurde das Experiment tief im Erdinnern in einer Eisenmine aufgebaut. All diese Abschirmungen können jedoch die gesuchten WIMPs nicht von den Detektoren abhalten. Weil diese Teilchen extrem schwach mit normaler Materie wechselwirken, ist es für sie kein Problem, bis zu den verschiedenen Detektoren vorzudringen.
Da die gesuchten unbekannten Teilchen laut Standardmodell in großer Zahl in unserer Galaxie vorkommen sollten, wird erwartet, daß sehr viele Teilchen durch die Detektoren hindurch fliegen. Dabei kann es vorkommen, daß diese mit den Atomkernen der Germanium- und Siliziumkristalle zusammenstoßen. Dadurch werden diese zu Schwingungen angeregt, welche von speziellen Sensoren gemessen werden können. Weil WIMPs per definitionem nur sehr schwach mit baryonischer Materie wechselwirken (sonst wären sie ja gar keine WIMPs und man hätte sie schon früher entdeckt), kommen solche Zusammenstöße jedoch nur sehr selten vor.
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Erste Ergebnisse
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Abb. 2: Die Abbildung zeigt die neuen oberen Grenzen für den skalaren (spinunabhängigen) WIMP-Nukleon Wirkungsquerschnitt als Funktion der WIMP-Masse. Der Parameterraum über der durchgezogenen Linie ist bei einem Vertrauensniveau von 90% ausgeschlossen (für die gestrichelte Linie wurde eine etwas andere Datenanalyse benutzt). Diese Grenzen sind inkonsistent mit dem von der DAMA Gruppe gefundenen Resultat (geschlossene Region), falls dieses auf skalaren Wechselwirkungen beruht. Die hell- und dunkelgrau schattierten Bereiche sind mögliche Regionen für die Wirkungsquerschnitte in verschiedenen supersymmetrischen Modellen. Die restlichen eingezeichneten Linien geben die oberen Grenzen an, welche von älteren Experimenten ermittelt wurden.
(http://www.arxiv.org/astro-ph/0405033) |
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Eine erste, vorläufige Auswertung der Daten zeigt, daß bisher keine gesuchten Ereignisse registriert wurden (CDMS Collaboration 2004). Dies könnte verschiedene Ursachen haben. Eine Möglichkeit wäre, daß die gesuchten WIMPs gar nicht oder nur in geringerer Anzahl als erwartet vorkommen. Eine andere Erklärung wäre, daß sie so schwach mit den Atomkernen wechselwirken, daß die Wahrscheinlichkeit für die Beobachtung eines Zusammenstoßes während des Beobachtungszeitraums zu klein war. Setzt man voraus, daß die Dichte sowie die Geschwindigkeiten der gesuchten Teilchen in unserer Umgebung bekannt sind, so läßt sich aus den Meßergebnissen ein maximal möglicher WIMP-Nukleon Wirkungsquerschnitt (ein Maß dafür, wie stark WIMPs mit den Protonen und Neutronen im Atomkern wechselwirken) berechnen. Dieser ist in Abb. 2 als Funktion der WIMP-Masse aufgetragen. Durch den Vergleich mit theoretischen Vorhersagen lassen sich einige Vorschläge für die Teilchennatur der WIMPs ausschließen.
Durch das negative Resultat wird das Ergebnis der DAMA (DArk MAtter) Gruppe, welche ein ähnliches Experiment in Italien durchführte, in Frage gestellt. Diese Gruppe hatte behauptet, Zusammenstöße zwischen WIMPs und Atomkernen nachgewiesen zu haben (Bernabai 2004). Da die Detektoren des CDMS-Experiments viel empfindlicher sind, hätten auch hier solche Ereignisse beobachtet werden sollen. Es besteht allerdings immer noch die Möglichkeit, daß beide Gruppen recht behalten könnten. In Italien wurden nämlich anstatt Silizium- und Germaniumdetektoren solche aus Natriumiodid verwendet. Damit ist das italienische Experiment im Gegensatz zum amerikanischen auch in der Lage, Zusammenstöße zu registrieren, welche vom Spin der gesuchten Teilchen abhängen. Insgesamt ist nach dem provisorischen Nullresultat des CDMS-Experiments die Existenz von WIMPs auf jeden Fall zweifelhafter als zuvor.
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Schlußfolgerung
Trotz intensiver Suche konnte die Existenz nichtbaryonischer Dunkler Materie bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden. Auch die neuesten Ergebnisse des CDMS Experiments liefern keine Hinweise auf diese exotische Art der Materie. Damit beruht das Standardmodell der Kosmologie weiterhin auf einer Reihe hypothetischer Annahmen, welche experimentell nicht bestätigt sind.
Diese Schwächen des kosmologischen Standardmodells werden auch von einigen Kosmologen wahrgenommen. Kürzlich hat sich eine Gruppe von über dreißig Wissenschaftlern darunter angesehene Kosmologen in einem offenen Brief gegen die ausschließliche Verfolgung des Standardmodells ausgesprochen und die Unterstützung von alternativen Modellen gefordert (Lerner et al. 2004; s. S. 103 in dieser Ausgabe). Es wäre faszinierend, wenn eine belebtere Konkurrenz zwischen verschiedenen Modellen entstehen würde.
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Literatur
- Beck O (2003)
- Noch immer im Dunkeln: Die Dunkle Materie. Stud. Int. J. 10, 28-30.
- Bernabai R (2004)
- DAMA/NaI results. arXiv:astro-ph/ 0405282.
- CDMS Collaboration (2004)
- First Results from the Cryogenic Dark Matter Search in the Soudan Underground Lab. arXiv:astro-ph/0405033.
- Gondolo P (2004)
- Introduction to Non-Baryonic Dark Matter. arXiv:astro-ph/0403064.
- Lerner E (2004)
- An Open Letter to the Scientific Community. New Scientist No. 2448, 20. (www.cosmologystate-ment.org).
- Longair M L (1998)
- Galaxy Formation. Berlin, S. 274-292.
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