Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 12. Jg. Heft 1 - Mai 2005
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Die Zwergenmenschen – Genetische Isolation führt zur Bildung von „Hobbits“ auf indonesischer Insel

von Sigrid Hartwig-Scherer

Studium Integrale Journal
12. Jahrgang / Heft 1 - Mai 2005
Seite 3 - 10


Zusammenfassung: Ein winziger Mensch lebte zwischen maximal 95 000 und minimal 12 000 radiometrischen Jahren (rJ) auf der Insel Flores, Indonesien, zeitgleich mit Homo sapiens, der ab 55 000 rJ das Indonesische Archipel besiedelte. Wegen seiner kleinen Körpergröße und einiger besonderer Merkmale erteilten ihm die Finder den Status einer eigenen Art (H. floresiensis) und halten ihn für den Nachfahren eines in die Isolation geratenen Homo erectus.

H. floresiensis demonstriert die enorme Variabilität des Grundtyps Homo. Gegen alle bisherigen Vorstellungen über Proportionsveränderungen (Allometrie-Regeln) lassen sie sich als eine rein isometrische „Schrumpfform“ eines H. erectus interpretieren, ähnlich der optisch verkleinerten Hobbits aus Tolkiens Fanatasieroman. Dies übersteigt bisherige Vorstellungen im Rahmen der Evolutionslehre – weniger die der Grundtypbiologie – bei weitem: sie besitzen mit weniger als 2/3 unserer Körpergröße nur etwas mehr als 1/4 (!) unseres Gehirnvolumens, entgegen jeder allometrischen Erwartung für ein menschliches Gehirn. Die Schädelkapazität liegt sogar knapp unter der der Australopithecinen mit vergleichbarer Körpergröße. Trotzdem zeichnen sie sich als intelligente Mitglieder der Gattung Homo aus, wie man es für einen Vertreter des Grundtyps Homo erwarten würde: Sie waren wahrscheinlich geschickte Jäger, die Gemeinschaftsjagd auf Riesenechsen und Minielefanten organisierten, sie beherrschten das Feuer, fabrizierten normal große Werkzeuge und lebten über viele Generationen auf der Insel Flores, bis ein Vulkanausbruch ihren Lebensraum zerstörte.




Einführung
Abb. 1: Fundort der neuen Art Homo floresiensis auf der Insel Flores, Indonesien. (Nach Morwood et al. 2004)

Vielleicht ist doch etwas dran an den alten Sagen und Legenden von Zwergen? Ein winziger Mensch – von den australischen Teammitgliedern nach den kleinwüchsigen „Halblingen“ in J.R.R. Tolkiens Fantasy-Trilogie als „Hobbits“ aus dem Land Mittelerde benannt – lebte zusammen mit „Drachen“ („Komodo-dragon“), Riesenratten und Minielefanten auf der Indonesischen Insel Flores (Abb. 1). Er war ein Zeitgenosse des modernen Menschen, wird jedoch von seinen Findern nicht als Homo sapiens, sondern als ein Abkömmling eines in die Isolation geratenen Homo erectus und aufgrund einiger einzigartiger Merkmale als eigene Art Homo floresiensis klassifiziert.

Robert Foley schwärmt von der größten paläanthropologischen Entdeckung der letzten 50 Jahre, die ein signifikantes Umdenken über Art, Ort und Prozeß der menschlichen Evolution nach sich ziehen werde (Lahr & Foley 2004). H. floresiensis sei bei weitem der extremste Hominide und hinterfrage einige Kernhypothesen der menschlichen Evolution und Basisregeln der Allometrie (s. u.).

Wenn es sich also, wie hier mit gutem Grund vermutet, um ein Mitglied der Gattung (und des Grundtyps) Homo handelt, muß man festhalten, daß die Gattung Homo morphologisch sehr viel variabler und in ihrer Anpassungsleistung viel flexibler ist als bislang gedacht. Man erwartet in Zukunft eine weitere enorme Variabilitätsvergrößerung innerhalb der Gattung Homo, eine Erwartung, welche die Grundtypbiologie schon lange hat.

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Inselzwerge – klein aber oho!
Abb. 2: Die Position des Skeletts von Homo floresiensis. Einige Knochen waren noch teilweise miteinander an den Gelenken verbunden. Die Reste wurden auf einer Fläche von weniger als
1 m2 gefunden. (Nach Morwood et al. 2004)

In einer 40 m tiefen Höhle auf der Insel Flores, Ostindonesien, fand im Jahr 2003 ein großes australisch-indonesisches Team um die australischen Wissenschaftler Peter Brown und Mike Morwood von der Universität New England, Armidale, und Bert Roberts von der Universität Wollongong ein fast vollständiges, teilweise sogar noch an den Gelenken zusammenhängendes Skelett (Abb. 2; Brown et al. 2004). Es war in seiner Konsistenz hochfragil, d.h. kaum fossilisiert – „wie feuchtes Löschpapier“ oder „Kartoffelbrei“ (Dalton 2004). Daher war es eine große präparative Leistung, die Funde ohne größeren Schaden zu bergen. Das Skelett ergab die geschätzte Körpergröße von 1 m und das winzige Gehirnvolumen von 380 ccm (zum Vergleich: Die Durchschnittsgröße heutiger menschlicher Schädel liegt bei ca. 1400 ccm).

In der darauffolgenden Grabungssaison 2004 wurden weitere, allerdings noch nicht veröffentlichte Funde einschließlich Kiefer- und Armknochen geborgen: Somit ist klar, daß es sich hier jedenfalls nicht um einen Einzelfund, sondern um eine Gruppe von mindestens 5 bis 7 „Hobbits“ gehandelt haben muß, die über viele Generationen mit dieser speziellen Morphologie überlebt haben. Zum Holotyp der in Nature veröffentlichten neuen Art gehört das Teilskelett, andere bruchstückhafte Fossilfunde werden damit in Verbindung gebracht: ein linker Vorbackenzahn (P3) als typisch für die Art (in einem etwas älteren Horizont gefunden) und eine Speiche, dessen Länge eine Körpergrößenschätzung von 1 m ergab und deshalb ebenfalls H. floresiensis zugeordnet wird, ebenfalls aus einem wesentlich älteren Horizont (74 000 rJ).

Abb. 3: Komodo-Waran („Komodo-dragon“), kommt auch heute noch auf dem indonesischen Archipel vor. (Foto: Otto de Voogd; http://www.7is7.com/otto/komodo/)

Neben den Knochenfunden konnte eine große Menge an Steinwerkzeugen geborgen werden, die man in engem räumlichem Zusammenhang mit den Beutetieren der Hobbits zusammen fand. Manche dieser Knochen waren verkohlt, ein Hinweis auf den gezielten Gebrauch von Feuer. Man barg Knochen von Fischen, Vögeln, Nagern, ebenso Zwergelefanten (Stegodon), wobei fast ausschließlich Jungtiere erlegt wurden. Außerdem jagten sie wohl den riesigen und recht gefährlichen Komodo-Waran (Abb. 3), wozu einige Geschicklichkeit und Wissen gehört (in der Morgenkühle sind sie noch recht langsam und können da am ehesten erlegt werden).

Zuerst glaubte man, daß diese recht komplexen Werkzeuge nur von H. sapiens stammen konnten, doch erreichten diese erst ab ca. 11 000 rJ Flores, also mehr als 1000 Jahre nach dem Vulkanausbruch, der alles zerstörte. (Homo sapiens hatte zwar schon ab 55 000 rJ das Archipel erreicht, aber in dieser Zeitspanne gibt es auf Flores keine Indizien für ihre Existenz.) Die Werkzeuge sind sogar wesentlich moderner und komplexer als die Hinterlassenschaften anderer australasiatischer Fundorte, die von Homo sapiens stammen. Die Technologie der Hobbits war erstaunlich: Sie beherrschten die Klingenkultur (Abb. 4) und eine Reihe unterschiedlicher Abschlagtechniken. Man fand Schaber, Bohrer, Spitzen, Klingen und Mikroklingen. Diese Komplexität wurde sogar von den meisten australo-asiatischen Fundstellen, die eindeutig H. sapiens zugeschrieben werden, nicht erreicht. Daß die Werkzeuge von den Hobbits stammen, entnimmt Morwood der Tatsache, daß sie in sehr engem Kontext mit ihren Beutetieren vorkamen.

Offensichtlich waren die Hobbits trotz des extrem kleinen Gehirns also durchaus in der Lage, intellektuell hochstehende Leistungen zu erbringen, in Gruppen auf „Drachen“jagd zu gehen, das Feuer zu beherrschen, Werkzeuge unterschiedlicher Art herzustellen und zu benutzen und lange Zeit auf dieser Insel zu überleben (möglicherweise von 95 000 – 12 000 rJ; das Skelett wurde auf 18 000 rJ direkt datiert, der Vulkanausbruch auf 12 000 rJ). Morwood et al. (2004) verwendeten eine Reihe verschiedener Datierungsmethoden, die grob diesen Rahmen bestätigen. Nicht alle Forscher sind jedoch mit der Datierung einverstanden (s. u.).

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Verzwergung mit isometrisch geschrumpftem Gehirn

Bislang wurde noch kein Hominide mit dieser geringen Körpergröße und vor allem mit einem so winzigen Gehirnvolumen entdeckt. Das Erstaunen und die Unsicherheit, wie dies einzuordnen sei, ist entsprechend groß. Eine heftige Kontroverse bahnt sich an.

Abb. 4: Werkzeuge von Homo floresiensis. a Klinge, b Perforator, c Mikroklinge, d Abschlagkern zur Produktion von Mikroklingen. (Nach Morwood et al. 2004)

Die Verzwergung der Menschen ist für die Humanevolution zwar sehr überraschend, aber nicht völlig unbekannt: man findet das Phänomen auch bei anderen Säugern. Es gibt immer wieder kleinere Biotopinseln, wo große Säugetiere aufgrund des reduzierten Nahrungsangebotes bei gleichzeitigem Fehlen von Räubern als „Sparmaßnahme“ ihre Körpergröße herunterfahren. Man kennt eine Körpergrößenreduktion z.B. von Rehen, Eichhörnchen, Schweinen und anderen. Besonders eindrücklich ist die rapide Inselverzwergung der Elefanten auf zwei Mittelmeerinseln, die fossil gut dokumentiert ist und die Morwood mit seinem Team als Vergleichsmaterial und für weitere Rückschlüsse untersuchen will.

Eine solche Inselverzwergung kann ein langsamer oder ein sehr rascher Prozess sein: die Elefanten auf Sizilien und Malta sind innerhalb von 5000 Jahren von einem 4m-Vorfahren auf 1m zusammengeschrumpft (Lahr & Foley 2004).

Die einzigen größeren Säuger auf Flores sind Zwergformen: Homo floresiensis und Stegodon, der Zwergelefant. Ihre Körpergrößenreduktion war möglicherweise bei fehlendem Raubtierdruck die einfachste Art, sich auf die Nahrungsverknappung einzustellen (warum dann die Echsen so riesig wurden, ist eine andere Geschichte). Verzwergung geht meistens mit Proportionsänderungen einher, ohne das Komplexitätsniveau zu verändern, was in der Wissenschaft als allometrische Veränderung bezeichnet wird. Die Allometrie – im Gegensatz zur Isometrie, bei der Proportionen erhalten bleiben – beschreibt die regelhafte Proportionsverschiebung bei Größenänderungen, wobei ein Organ mit einem anderen in einer Potenzbeziehung verbunden ist. So liegen z.B. unterschiedlich große weibliche und männliche Individuen auf der gleichen Allometriegeraden (Shea 1996) und besitzen dadurch leicht unterschiedliche Proportionen, ohne daß ein unterschiedliches Komplexitätsniveau angenommen werden muß. Beispielsweise nimmt das Gehirn relativ zur Körpergröße langsamer zu als für eine isometrische Beziehung zu erwarten. Deshalb besitzen Frauen ein relativ größeres Gehirn als Männer, ohne daß daraus Rückschlüsse auf Intelligenz o. ä. gezogen werden können. (Pygmäen mit der Körpergröße zwischen 1,4 – 1,5 m besitzen kein wesentlich kleineres Gehirn, weil das Wachstum des Gehirns vor der Pubertät [Längenwachstum der Langknochen] abgeschlossen ist.) Wenn ein Mensch evolutiv verzwergt, d. h. über längere Zeiträume eine Größenreduktion erfährt, erwartet man, daß er auf der Allometriegeraden der menschlichen Population liegt, d. h. die Gehirngröße nimmt relativ weniger ab als die Körpergröße.

Wo: In der 40 m tiefen Höhle Liang Bua auf der Insel Flores, östliches Indonesien, 5,9 Meter tief. Was: Ein fast komplettes, teilweise noch artikuliertes, kaum fossilisiertes Skelett, Fragmente. Wann: 2003, Veröffentlichung 2004. Von wem: Australische Wissenschaftler Mike Morwood und Peter Brown (University of New England in Armidale, New South Wales) mit einem austral-indonesischen Team. Größe: ca. 1m. Gewicht: ca. 25 kg (Schätzungen schwanken zwischen 16 und 36 kg). Alter: ca. 30 Jahre, anhand des Verwachsungsgrads von Schädelnähten u. a. Gehirngröße: 380 ccm, entspricht etwa 433 g Gehirngewicht (etwas mehr als 1/4 von unserem Gehirn). Encephalisationsquotient: Unterer Bereich der Australopithecinen. Fähigkeiten: ähnlich moderner Menschen: Gruppenjagd, Zwergelefanten als Beute, Feuerstellen, Werkzeuge H. sapiens-ähnlich. Zugehörigkeit: Gattung Homo, Merkmalsmosaik siehe Tab. 1. Weitere Funde: ca. 7 Individuen ähnlicher Größe (mit Grabungssaison 2004). Biotop: Insel mit 17 000 qkm, 375 km lang, ca. 40 km breit, ca. 20 km von nächster Insel durch tiefes Meer getrennt (mindestens der Vorfahre mußte Hochseeschiffahrt betrieben haben). Geologisches Alter: Zwischen (95) 38-18 (12) 000 rJ. Verwandte/Vorfahren: Homo erectus mit 0,84 MrJ alten Werkzeugen und Hochseeschiffahrt. Beutetiere: Fische, Vögel, Nager mit Verbrennungsspuren (gebraten), junge endemische Zwergelefanten (Stegodon), Komodowaran („Drachen“). Begräbnis: Keine Anzeichen. Ende vom Biotop „Mittelerde“: Vulkanausbruch um 12 000 rJ.

Im Folgenden wird eine grobe Abschätzung des für die Hobbits zu erwartenden Gehirnvolumens gemacht und mit dem tatsächlichen von 380 ccm verglichen (Abb. 5). Unter der Annahme, daß H. floresiensis ein verzwergter Homo sapiens ist, wie der indonesische Kritiker Tekeu Jakob behauptet, müßte er mit seinen ca. 25 kg nach der Allometrieabschätzung ein Gehirnvolumen von ca. 890 ccm besitzen (Abb. 5, links, a). Nimmt man stattdessen gemeinsam mit den Autoren Brown und Morwood an, H. floresiensis sei aus einem in die Isolation geratenen Homo erectus durch Verzwergung hervorgegangen, läge die erwartete Schädelkapazität um ca. 650 ccm (Abb. 5, links, b). Beide Abschätzungen liegen jedoch weit über dem tatsächlichen Wert von 380 ccm (Abb. 5, links, c), und selbst für einen Australopithecus vergleichbarer Größe liegt die Schädelkapazität leicht unter dem erwarteten Niveau.

Abb. 5: Tatsächliche und erwartete Schädelkapazität für LB1 H. floresiensis (eigene Analyse). Links: Abschätzung der allometrischen Gehirn-Körpergewichtsrelation in doppelt logarithmischer Auftragung von Schädelkapazität und Körpergewicht. Anhand von Daten menschlicher Populationen (Beals et al. 1984) wurde mittels Hauptachse ein Allometrieexponent von 0,52 ermittelt (Hartwig-Scherer 1994) und dem Datensatz fossiler Homo erectus-Formen angepaßt (Zugehörigkeit Grundtyp Homo). Nach diesen Abschätzungen erwartet man für den ca. 25 kg leichten LB1 die Schädelkapazität von 890 ccm, wenn man annimmt, daß er ein allometrisch verzwergter Homo sapiens ist (a), bzw. von 650 ccm, wenn man annimmt, daß er ein allometrisch verzwergter Homo erectus (b) ist. Der tatsächliche Wert von 380 ccm (c) entspricht nicht der allometrischen, sondern mehr der isometrischen Verkleinerung („Schrumpfung“) von H. erectus (nicht-logarithmische Auftragung) (rechts).

Da der Hobbit mit seinem Gehirnvolumen also keiner allometrischen Erwartung entspricht, stellt sich die Frage, ob es sich um eine rein isometrische Schrumpfform handeln könnte. Der Gesamteindruck des Schädels ist menschlich (Abb. 6), die Schädelproportionen liegen nach den Autoren im erectus und sapiens-Bereich, was schon andeutet, daß bei der Schädelform mit Ausnahme der Schädeldicke keine wesentlichen Proportionsverschiebungen zu beobachten sind. Die absolute Dicke der Schädeldecke liegt im Bereich der echten Menschen (und ist viel dicker als die der Australopithecinen) und trägt damit zusätzlich zur Volumenreduktion bei, so daß nur wenig Raum für das Gehirn verbleibt). Die Form des Gehirns, die durch einen virtuellen Schädelinnenausguß mittels 3D-Computertomogramm ermittelt wurde (Falk et al. 2005), ist sehr ähnlich dem klassischen asiatischen Homo erectus. Schläfen- und Stirnlappen sind stark vergrößert und gefaltet, ein Hinweis auf ausgeprägte Intelligenzleistung wie Sprache und Planungsfähigkeit. Auch die Position der Affenspalte ist menschlich – insgesamt eine deutlich komplexe sapiens-äquivalente Struktur.

Unter der Annahme einer rein isometrischen Verkleinerung würde man für das Schädelvolumen etwas über 800 ccm erwarten, wenn es sich um einen verkleinerten Homo sapiens handelt, und ca. 400 ccm, wenn es ein verkleinerter erectus ist (Abb. 5, rechts). Trotz der Ungenauigkeit einer solchen Abschätzung liegt das tatsächlich vermessene Volumen von 380 ccm näher an der isometrischen Verzwergung – besser Verkleinerung – eines Homo erectus als an der von Homo sapiens.

Dieses Ergebnis ist auch für eine ehemalige Schülerin des „Allometriepapstes“ der Primatologie – Robert D. Martin – schwer zu verdauen. Wie kann eine solch dramatische Ausnahme der ansonsten so gut und vielseitig begründeten Allometrieregel zustande kommen? Welche evolutiven Mechanismen haben zur nicht-allometrischen Verkleinerung beigetragen? Oder handelt es sich um einen ganz eigenen Bauplan, unabhängig von größenbedingten Körperveränderungen? Oder ist es doch kein Mensch?

Der Anpassungsleistung eines hypothetischen erectus-Vorfahren an die Inselbedingungen liegt vielleicht ein noch völlig neuer und unbekannter Mechanismus zugrunde. Dies könnte als enorme programmierte Variabilität eines Grundtyps interpretiert werden. Doch noch eine andere Frage ist für die Evolution des Gehirns bedeutsam: Wenn die Hobbits mit ihren kleinen Gehirnen die gleiche Intelligenzleistung erbringen konnten wie zeitgleiche moderne Menschen, warum betreibt Homo sapiens dann ein so aufwendiges Organ, wenn es auch sparsamer, sprich kleiner ginge? „Fortschrittliches Verhalten wie komplexe Steinwerkzeugherstellung benötigt nicht unbedingt ein großes, modernes, menschenähnliches Gehirn“ (Fred Spoor in Balter 2005).

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Hypothesen, Kontroversen und Konflikte
Abb. 6: Schädel von Homo floresiensis. (Zeichnung: Marion Bernhardt; nach Lahr & Foley 2004).

1. Ein geschrumpfter Homo erectus
Der höchst eigenartige Fund bereitet vielen Paläanthropologen ziemliches Kopfzerbrechen. Entsprechend weit auseinander gehen die Interpretationen dieses Fundes.

Brown und Morwood betonen zwar, daß der neue Fund einerseits zwar Merkmale des modernen Menschen aufweist, andererseits aber gleichzeitig eine signifikante Ähnlichkeit mit dem afro-eurasischen Homo ergaster/erectus hat (Tab. 1). Erectus-Spezialist Philip Rightmire sieht außer der Größe wenig Unterschiede zu dieser frühen Form (Gibbons 2004). Die eigene Art rechtfertigt sich laut Erstbeschreiber durch das einzigartige Merkmalsset. Sie halten die „Hobbits“ am ehesten für einen Abkömmling des afro-eurasischen Homo ergaster/georgicus, der um oder kurz nach 1,8 MrJ Eurasien verlassen hat, nach Südostasien gezogen und dort ziemlich früh schon als Insel-Hopper in die Isolation geraten ist. Das begründen sie unter anderem damit, daß die Hobbitfrau diesem afro-eurasischen Homo ergaster/erectus/georgicus aus Dmanisi, Georgien, anatomisch ähnlicher ist als dem asiatischen Homo erectus, wie wir ihn aus seiner „unmittelbaren“ geographischen Nähe von Java kennen. Dieser hat schon eine gewisse Sonderentwicklung und Spezialisierung durch Isolation hinter sich.

Diese These geht Hand in Hand mit einer früheren Publikation (Morwood et al. 1998). Das Team hatte Steinwerkzeuge, die etwa 50 km entfernt von Liang Bua gefunden wurden, auf 0,84 MrJ datiert und damit ein bis dahin durch die Wissenschaft strikt abgelehntes hohes Alter dieser Funde bestätigt (Brandt 1998), so daß aufgrund dieses Alters nur H. erectus als Urheber dieser Werkzeuge in Frage kam. Doch dies ist wiederum aus Besiedlungsgründen eine Sensation, denn dazu muß Homo erectus Hochseeschiffahrt betrieben haben (Gibbons 1998), damit er die relativ große Distanz zwischen den Inseln und zum nächsten Festland überwinden konnte (diese betrug auch bei eiszeitlich bedingtem Niedrigwasser etwa 19 km). Das Ergebnis der Publikation von 1998 wurde entsprechend skeptisch von denjenigen betrachtet, die auch zuvor die Akzeptanz des hohen Alters verhindert hatten, obwohl die Publikation die Gegenargumente weitgehend ausräumen konnte. Denjenigen, die diesem hohen Alter selbst nach dieser Publikation sehr kritisch gegenüberstehen, muß auch ein „Hobbit“ als Nachfahre eines solcherart in die Isolation geratenen H. erectus als Ärgernis erscheinen.

Ganz im Gegensatz dazu glaubt Friedemann Schrenk an ein wesentlich höheres Alter. In einem Interview in DIE ZEIT (Nr. 49/04, 25.11.04, Der Affenahn aus Spanien) vermutet er, das junge Alter von 13000 Jahren sei „verkaufsfördernd“. „Da kann man erzählen, unsere Vorfahren seien denen noch begegnet.“

2. Oder doch ein primitiverer Hominide oder besonderer Affe?
Manche Forscher überlegen, ob Konvergenz als mutmaßlich starker (d.h. nicht eliminierbarer) Faktor in der Evolution vorliegen könnte. Bei dem Fund könnte es sich demnach um einen speziellen südostasiatischen kleinwüchsigen und kleingehirnigen Hominiden oder Affen handeln, der unabhängig vom Menschen (also konvergent) eine Reihe von menschlichen Eigenschaften erworben hat (Lahr & Foley 2004). Die diagnostischen Merkmale, die eindeutig auf die Zugehörigkeit zur Gattung Homo hinweisen, würden dann jedoch allgemein ihre Bedeutung als Hinweise auf Verwandtschaft verlieren. Zudem ist eine Annahme so weitgehender Konvergenzen recht spekulativ.

Tab. 1: Mosaikartige Merkmalsverteilung. 1 = „hypersapiens“-artig.

Es gibt aber auch Merkmale, die nicht ausschließlich zur Gattung Homo passen: so zeigen die Ohröffnung, das Gaumendach des Oberkiefers, die Beckenform, die relativ langen Arme und einzelne Merkmale von Ober- und Unterschenkel gewisse Ähnlichkeit mit frühen Hominiden wie den Australopithecinen (Dalton 2004). Leslie Aiello findet die Ähnlichkeit des sehr weit geschnittenen Beckens sogar außerordentlich „Lucy“-(Australopithecus afarensis)-ähnlich (Balter 2004a), wobei dies jedoch nur Folge der kleinen Körpergröße oder eine andersgeartete Konvergenz sein könnte und nicht unbedingt als Zeichen naher Verwandtschaft gewertet werden muß (wobei das Größenargument zumindest teilweise dann auch für „Lucy“ gelten müßte).

Colin Groves von der Australischen National-Universität, der ebenfalls die Art H. floresiensis nicht für gerechtfertigt hält, möchte wegen fehlender Alternativen an einen besonderen Affen glauben, auch wenn kein diagnostisches Merkmal auf einen Affen hindeutet. Um die Werkzeuge zu erklären, hält er es für gut möglich, daß Homo sapiens zu dieser Zeit die Insel besucht haben mag und deshalb als Urheber der Hinterlassenschaften zu betrachten ist, auch wenn man keine Fossilspuren von ihm hat. Dann wären nicht nur Stegodon, sondern möglicherweise auch die „Hobbits“ Beute von Homo sapiens gewesen. Die „Hobbits“ seien bestenfalls aus einem Australopithecinen entstanden, denn es sei schwer vorzustellen, wie diese Winzlinge mit ihrem Spatzengehirn Werkzeuge sogar mit Halterung hergestellt haben sollen.

Wer davon ausgeht, daß Gehirngröße und Intelligenz notwendigerweise Hand in Hand gehen, muß zugegebenermaßen Probleme mit H. floresiensis haben.

3. Oder nur eine besondere Rasse des modernen Menschen?
Andere Wissenschaftler dagegen, die sogenannten Multiregionalisten wie Milford Wolpoff, Alan Thorne und andere, quälen sich mit ganz anderen Problemen herum. Diese Hypothese geht davon aus, daß sich der anatomisch moderne Mensch an verschiedenen Stellen der Erde durch permanenten Genaustausch entwickelt hat, so daß er überall mehr oder weniger gleichzeitig auftauchte. Für einen Multiregionalisten muß der Hobbit schon allein wegen des Alters ein moderner Mensch sein. Die Autoren Morwood und Kollegen anerkennen die Ähnlichkeiten mit H. sapiens, wenden sich aber aufgrund anderer Indizien explizit gegen diese Deutung. Ein Kommentator bezeichnet deshalb diesen Fund als den letzten Sargnagel für die Multiregionalisten-Hypothese. Für diese Vorstellung ist der geologisch sehr junge H. floresiensis ein Dorn im Auge.

Einer der Multiregionalisten, Maciej Henneberg von der Universität in Adelaide, Australien, der alle Mitglieder der Gattung Homo für eine einzige Art hält (vgl. Hartwig-Scherer 2002), ist der Auffassung, daß die Hobbitdame einem 4000 Jahre alten Menschen mit Mikroencephalon (Schrumpfhirn) ähnlich ist, den man interessanterweise auf Kreta fand. Er kritisiert, daß Brown und Kollegen zwar verschiedene mögliche Pathologien berücksichtigt hätten, einschließlich das primordiale microencephalische Zwergenwachstum, jedoch nicht die sekundäre Microencephalie, um die es sich hier seiner Meinung nach handelt. Allerdings hat er die Hobbitdame noch nicht selber begutachtet und seine Hypothesen nur in nichtreferierten Zeitschriften veröffentlicht (Balter 2004a). Inzwischen legt die Studie von Falk et al. (2005) nahe, daß der Innenausguß dem eines Microencephalons sehr unähnlich ist.

Mit diesem Fund muß die Evolutionsbiologie eine Reihe von unerwarteten Wendungen verkraften.

Eine sehr seltsame Art, seine Mißbilligung über die Einführung einer neuen Spezies zu bekunden, ist die „Entführung“ des Skeletts durch Tekeu Jacob, dem Chefanthropologen der Universität Gadjah Mada in Yogyakarta, den man früher auch „König der Paläanthropologie“ nannte (Balter 2004a). Er hat das Fossil, das für die Artdiagnose zugrunde liegt, zusammen mit den anderen bislang nicht veröffentlichten Funden, welche die diesjährige Grabung erbrachte, auf erstaunliche Weise aus dem offiziellen Depot, dem Zentrum für Archäologie in Jakarta, in seine Obhut gebracht und unter dem Vorwand „konfisziert“, die Skelettreste untersuchen und ihnen bei ihm in Yogyakarta mehr Sicherheit verschaffen zu wollen. Manch einer befürchtet nun, daß damit die Fossilien für die Nachwelt verloren sind, denn Jacob horte eifersüchtig viele der berühmten indonesischen Funde in seinem Archiv, ohne daß andere Wissenschaftler leicht Zugang dazu hätten(Balter 2004b). Mittlerweile hat er jedoch alles bis auf Ober- und Unterschenkelknochen wieder zurückgegeben (Balter 2005).

Jacobs Überzeugung ist, daß die kleine Frau keiner eigenen Art angehöre, sondern nur ein pathologisch kleines Gehirn (Microencephalie) besäße und zu dem australo-melanesiden Formenkreis gehöre, der das Indonesische Archipel schon lange davor besiedelt habe. Da die Fossilien nicht ausgehärtet sind, müßte man sie als Subfossilien ansehen, was für seine These sprechen würde (ob die Fossilien nun 18 000 rJ alte H. erectus, H. sapiens oder sonst was sind, ändert nichts an dem Alter, an dem Jacob anscheinend nicht zweifelt). Außerdem sagt die Qualität der Fossilisation nicht unbedingt etwas über das Alter von Fossilien aus.

Der Zustand der subfossilen Knochen birgt zumindest die von allen gehoffte Möglichkeit, DNS isolieren und genetische Vergleiche anstellen zu können. Damit würde sich ein Teil der Kontroversen möglicherweise legen. Die Ergebnisse werden mit Spannung erwartet.

Die Autoren der Erstbeschreibung haben natürlich diese Kritikpunkte im Vorfeld angedacht. Es fehle für eine Pathologie jede Spur, was auch der unabhängige Wissenschaftler Daniel Lieberman in einem Kommentar bestätigt (Gibbons 2004). Außerdem wäre es schon recht seltsam, wenn eine Gruppe von Mikroencephalikern über lange Zeit in einer Höhle überlebten und Nachkommen erzeugten. Peter Brown will in Zukunft Pathologien in Menschen mit kleinen Gehirnen untersuchen, um auszuschließen, daß es sich bei den Hobbits um pathologisch deformierte Formen handelt.

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Schlußfolgerung

Mit diesem Fund muß die Evolutionsbiologie eine Reihe von unerwarteten Wendungen verkraften.

Abb. 7: Immer buschiger: Die Fossilüberlieferung des Menschen aus evolutionstheoretischer Sicht.
1 Homo ergaster, 2 georgicus, 3 erectus, 4 antecessor, 5 cepranensis, 6 heidelbergensis, 7 helmei, 8 neanderthalensis, 9 sapiens, 10 floresiensis. Um 30.000 rJ (Pfeil) lebten mindestens vier Menschenformen gleichzeitig. (Verändert nach Lahr & Foley 2004)

Mit der neuen Art setzt sich ein Trend fort: der Stammbaum der echten Menschen wird immer buschiger, auffällig im Gegensatz zu den zuletzt mageren Jahren der Arten-Abstinenz (Abb. 7). Je nach Zählung umfaßt die Gattung Homo zehn oder mehr Arten: Homo ergaster, georgicus, erectus, antecessor, cepranensis, heidelbergensis, helmei, neanderthalensis, sapiens und floresiensis (nach geologischem Auftreten geordnet, manche würden hier noch H. mauritanicus und soloensis hinzufügen) (Lahr & Foley 2004).

Die Evolutionsbiologie ist inzwischen von dem sehr linearen Denken über die Entwicklung des Menschen abgekommen und vermutet nun, daß durch die klimatischen und geographischen Veränderungen der vergangenen Jahrtausende die Ausbreitung der Gattung Homo von vielfachen Isolationsereignissen begünstigt wurde, was wiederum eine Reihe verschiedener lokaler Evolutionsereignisse hervorbrachte, ähnlich denen anderer Säuger, die sich in kleinen Populationsgrößen in Größe und Form ausdifferenzierten (Lahr & Foley 1998; 2004). Diese Vorstellung deckt sich im Wesentlichen mit der Hypothese zur Grundtypdifferenzierung, wonach die Ausgangspopulation durch programmierte Variabilität genetisch polyvalent war.

Spätestens mit H. floresiensis ist klar, daß Homo sapiens nicht – wie lange geglaubt – der Alleinherrscher des Spätpleistozäns war. Er mußte seine Vorherrschaft mit anderen einzigartigen und gleichwohl ebenbürtigen Menschenformen teilen, in Asien sogar mit zwei Arten: Neben H. floresiensis lebte auch H. erectus an manchen Stellen bis 30 000 rJ (Swisher et al. 1996). Daß heute nur H. sapiens überlebt hat, ist wohl ein biologisches und historisches Ereignis, aus dem man keine Schlüsse über die Entwicklungshierarchie ableiten kann. Es mehren sich die Indizien, daß alle diese Formen wesentlich mehr Fähigkeiten besaßen, als ihnen ursprünglich zugebilligt wurden. So wurde erst kürzlich der Neandertaler als phantastischer Künstler und Flötenspezialist rehabilitiert (siehe „War der Neandertaler ein begabter Eiszeitmusiker? – Elfenbeinflöte und Gesang“ in dieser Ausgabe S. ?).

Noch von einer weiteren „Regel“ müssen sich die Evolutionsbiologen verabschieden: der allmählichen Größenzunahme. Man ging davon aus, daß die menschliche Evolution durch eine langsame Größenzunahme von Australopithecinen über Homo bis hin zu Homo sapiens gekennzeichnet war. Die Ausnahmen der großen Homo-Formen und manch kleiner sapiens-Populationen wurden als unterschiedliche und lokal bedingte Temperaturanpassungen angesehen. Doch nun reiht sich relativ spät in der Abfolge dieser Winzling ein.

Die Verzwergung mag an sich schon erstaunlich sein, doch besonders gewöhnungsbedürftig ist das Außerkrafttreten der Allometrie, aber noch mehr die Vorstellung, daß das extrem kleine Gehirn offensichtlich zu hervorragenden Leistungen imstande war. Für Spoor rüttelt dies an einem der Hauptkonzepte der Humanevolution, nämlich daß das Gehirn mit zunehmender Intelligenzleistung auch an Größe zunimmt (Balter 2005). Das zwingt einen Evolutionsbiologen zu zwei Revisionen: die Gehirngröße korreliert isometrisch mit dem Körpergewicht, scheint nur wenig Einfluß auf die Intelligenz zu besitzen und zeigt, daß der „Evolutionsgang“ auch umgekehrt verlaufen kann: ein „encephalisierter“ Vorgänger bringt einen „nicht-encephalisierten“ Nachfahren hervor (Lahr & Foley 2004), was soviel bedeutet, daß ein fortschrittlicher einen weniger fortschrittlichen, d.h. kleingehirnigen Menschen hervorbrachte.

Dieser Fund hat also einiges auf den Kopf gestellt:

  1. Die ursprüngliche Evolutionsvorstellung der langsamen Größenzunahme während der menschlichen Evolution hat mehrere Ausnahmen. Im Grundtypmodell ist Größe eine der Variablen, die sich unterschiedlich und unsystematisch verteilt manifestieren.
  2. Die normalerweise zu erwartende Proportionsverschiebung (Allometrie) bei Verzwergung fehlt vollständig. Das ist sowohl für das Evolutions- wie auch das Grundtypmodell unerklärt und verwunderlich.
  3. Die Gehirngröße läßt keinerlei direkte Schlüsse auf die Primitivität oder Komplexität einer Form zu, was für die Humanevolution ein schwieriges Kapitel ist, während es durchaus in das Grundtypmodell integrierbar ist.
  4. Der moderne Mensch war nicht der Alleinherrscher der letzten zigtausend Jahre, sondern teilte sich die Welt mit mindestens drei anderen Formen der Gattung Homo (erectus, neanderthalensis, floresiensis). Das Grundtypmodell stellt sich auf weitere zeitparallele Formen ein.
  5. Es spielt sich auch außerhalb Afrikas einiges Bedeutsame zur Geschichte des Menschen ab, das nicht unbedingt der bislang eher linearen Evolutionsvorstellung entspricht. Die Diversifikation des Grundtyps ist ein häufig ablaufender Prozeß und kann an unterschiedlichen Orten und unter verschiedenen Lebensumständen vorkommen.

Neben allen wissenschaftlichen Erörterungen soll am Schluß noch der Raum für die Frage bleiben, ob dieser Fund als eine Unterstützung für die Legenden um Zwerge und Riesen zu werten ist. In diesem Zusammenhang ist interessant, daß einer der Beschreiber, Bert Roberts, ein Gespräch mit den Einwohnern der Insel Flores zitiert, die von einem etwa 1m kleinen Volksstamm berichten, der bis ins letzte Jahrhundert gelebt hat. Sie wurden vom Volksmund Ebu Gogo genannt, was soviel heißt wie die Großmutter, die alles ißt. Das scheint mit der Begebenheit zusammenzuhängen, daß die Bevölkerung die Ebu Gogo mit Anbieten von Nahrung davon abhalten wollten, ihre Felder zu plündern. Dabei haben diese auch die Gefäße aus nachwachsenden Rohstoffen mit gegessen. Sie werden als langhaarig mit langen Brüsten und abstehenden Ohren beschrieben, mit einem etwas komischen Gang und langen Armen und Fingern. (Die letzten Beobachtungen entsprechen gut dem Fossilbefund.) Sie verständigten sich mit einer Murmelsprache und konnten ohne weiteres die Sprache der Inselbewohner imitierend nachsprechen. Manche Anthropologen hoffen, daß dieser Stamm vielleicht im Urwald seinen letzten Rückzugsort gefunden hat und aufgespürt werden könnte. Archäologen wollen deshalb die Höhlen, wo diese zuletzt gelebt haben sollen, untersuchen.

Und wenn Zwerge möglich waren, dann gibt es keinen Grund, an den Riesen, die auch in der Bibel immer wieder erwähnt werden, zu zweifeln. Es gibt noch viel zu entdecken!

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Literatur

Balter M (2004a)
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Studium Integrale Journal 12. Jg. Heft 1 - Mai 2005