Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 5. Jg. Heft 1 - April 1998


Schnelle Intrusion von Granitschmelzen durch Dikes


von Franz Egli-Arm

Studium Integrale Journal
5. Jahrgang / Heft 1 - April 1998
Seite 6 - 16


Zusammenfassung: Bis vor kurzem waren die meisten Geologen überzeugt, daß sich granitische Magmen in Form von langsam aufsteigenden Diapiren von der Bildungszone in der Unterkruste zum endgültigen Platz in der Oberkruste bewegen. In jüngster Zeit haben Beobachtungen der Gesteinszusammensetzung und -struktur, Labormessungen unter physikalischen Bedingungen der Erdkruste sowie fluiddynamische Berechnungen jedoch den Schluß nahegelegt, daß die Magmen in den meisten Fällen durch Dikes fließen. Die Fließgeschwindigkeit ist dabei bis zu 100.000 Mal schneller ist als in Diapiren (Brandon et al. 1996). Bestätigen sich diese Befunde, so müßte auch die Bereitstellung des Magmas in der Quellenzone der Unterkruste und die Plazierung in der oberen Kruste schnell erfolgen.



Granit ist nach verbreitetem Verständnis der Inbegriff der Urtümlichkeit, Härte und Unverrückbarkeit. Diese Bedeutungszuordnung äußert sich auch in Redewendungen: Wenn man beim Vorgesetzten mit seinem Wunsch nach Gehaltserhöhung "auf Granit beißt", so hat jeder weitere Versuch, doch noch zum Zug zu kommen, keinen Sinn. Die vielen geologisch nicht geschulten Bergwanderer, welche die zerklüfteten, ungeschichteten und massig wirkenden Steilwände der Kristallinmassive aus der Nähe betrachten, scheinen diesem Volksempfinden immer wieder neue Nahrung zu verleihen. Nachdem sich die Geologie im 19. Jahrhundert als Wissenschaft etabliert hatte, vermuteten die Forscher aber sehr früh, daß der Granit im Vergleich mit anderen Gesteinsarten keineswegs so urtümlich ist.


Was ist Granitgestein und woher kommt es?

Abb. 1: Typischer Granit (natürliche Größe): grauer Quarz, weißer Feldspat, dunkler Glimmer.

"Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergeß' ich nimmer." Mancher Leser hat wohl in der Schule diesen Merkvers auswendig gelernt. Granit ist ein fein- bis grobkörniges kristallines Gestein von meist heller Farbe mit hohem Siliziumanteil. Ein echter Granit enthält auf jeden Fall diese drei im Merksatz vorkommenden Minerale (Abb. 1). Nachfolgend werden aber alle granitähnlichen (granitoiden) Gesteine unter diesem Namen zusammengefaßt, also auch die etwas basischeren Typen, bei denen der Glimmer und z.T. auch der Quarz eine untergeordnete Rolle spielen. In diesem Sinne werden auch die zugehörigen Schmelzen als "granitische" Schmelzen angesprochen. Feldspat gehört in jedem Fall zu den Hauptgemengteilen. Wegen ihres hohen Anteils an Silizium ordnet man den Granit unter den "sauren" Gesteinen ein, im Gegensatz zu den "basischen" oder "mafischen" wie z.B. dem bekannten Basalt. Die Körner sind richtungslos angeordnet. Es besteht also keine ausgeprägte Schichtung wie beim Gneis oder beim Schiefer. Die Forschung bezeichnet heute den überwiegenden Teil der Granitgesteine als sogenannte Intrusionsgesteine. Das war nicht immer so, wie weiter unten ausgeführt wird. Heißes Magma steigt bis wenige Kilometer unter die Erdoberfläche auf und bildet dort einen meist unregelmäßig geformten Körper, einen sogenannten Granitstock oder Pluton. Gewisse Minerale kristallisieren schon während des Aufstiegs aus. Aber der größte Prozentsatz der Gemengteile kristallisiert am Ort der Platznahme während der Abkühlung. Haben sich im Laufe der Zeit mehrere Plutone in einem engeren Umkreis angesammelt, so spricht man von einem Batholiten.

Abb. 2: Flächenanteil der sauren und der basischen Plutonite (oben) und Vulkanite (unten). Links die sauren, rechts die basischen Gesteinsarten. Die Fläche jedes Kästchens ist proportional zur Fläche auf der Erdoberfläche, die eine bestimmte Gesteinsart einnimmt (Namen nur für die wichtigsten Gesteinsarten angegeben). (Nach Rothe 1994)

Wenn man die Häufigkeit der magmatischen Gesteine an der Erdoberfläche betrachtet (Abb. 2), fällt auf, daß bei den Ergußgesteinen, also den Vulkaniten, die basischen massiv überwiegen. Island und Hawaii z.B. bestehen fast gänzlich aus Basalt. Bei den Plutoniten, den Tiefengesteinen, ist das Verhältnis der Flächenanteile genau umgekehrt. Die Ursache dafür liegt in der unterschiedlichen Viskosität. Während nämlich die dünnflüssigen basischen Magmen praktisch ungehindert durch schmale Kanäle und Spalten bis an die Erdoberfläche aufsteigen und oft große Gebiete mit Lavagestein überfluten, bleiben die zähflüssigen, sauren Magmen schon in einigen Kilometern Tiefe regelrecht stecken. Ein weiteres Hindernis für den Aufstieg von granitischen Magmen kann der Wassergehalt sein. Granitische Schmelzen sind in der Lage, einige Prozent Wasser in gelöster Form aufzunehmen. Dazu benötigen sie ein Minimum an Auflastdruck, sprich: den Druck einer einige Kilometer mächtigen Gesteinssäule. Eine Schmelze verliert deshalb ihr Wasser, wenn der Abstand zur Erdoberfläche einen gewissen Wert unterschreitet, wenn also der Auflastdruck abnimmt. Mit abnehmendem Wassergehalt steigt aber die Viskosität sofort um Größenordnungen, so daß auch eine relativ dünnflüssige Schmelze sofort sehr zäh wird und steckenbleibt.

Die Granitforschung erlebte vor allem im 20. Jahrhundert, insbesondere seit den Dreißigerjahren, einige Umwälzungen. Glaubte man zuerst, Granit sei durch Umschmelzung von älteren Kristallin- oder Sedimentgesteinen entstanden, gewannen vor und nach dem zweiten Weltkrieg die Vertreter einer "Granitifizierung" ohne Aufschmelzung, also Umwandlung nur durch Stoffzufuhr von außen ("Transformation"), sehr viele Anhänger. Diese Forscher wiesen darauf hin, daß die Übergänge zum Nebengestein manchmal unscharf sind. Oft lassen sich Strukturen eines Sediments bis in das eindeutig aus Granit bestehende Randgebiet des Granitkörpers verfolgen. So liegt der Schluß nahe, daß der Kontaktbereich eine "Granitisierungsfront" darstellen könnte. Bis an diese Grenze drangen die verändernden Stoffe vor und hinterließen einen Übergangsbereich, in dem keine vollständige Umwandlung stattfand. Die "Transformisten" genannten Vertreter dieser Linie lehnten vor allem den von der Gegenseite, den "Magmatisten", postulierten Magmatransport in andere Krustenbereiche ab, denn sie fanden keine Erklärung, wie sich Magmenkörper von mehreren Kilometern Durchmesser am neuen Ort den nötigen Platz verschaffen konnten. Dort befand sich ja nicht einfach ein Hohlraum, der darauf wartete, gefüllt zu werden, sondern hartes Gestein. Das war ihr Argument. Auf etlichen Tagungen und Konferenzen stritten die beiden Lager der "Magmatisten" und der "Transformisten" heftig miteinander. Später behielt man den Begriff der Granitisation bei, wandte ihn jedoch nicht mehr nur auf "transformierten" Granit an, sondern auch auf magmatische und hochmetamorphe Gesteinsumwandlungen ohne regionalen Stoffaustausch.

Mit dem Siegeszug der Plattentektonik in den Geowissenschaften seit den Sechzigerjahren verbanden die Forscher die Hoffnung, das Problem um die Granitentstehung sei nun schnell gelöst. Hierin hatte man sich jedoch getäuscht. Mit dem Aufkommen von Schmelzversuchen unter Lithosphärenbedingungen und verbesserten chemischen Analysemethoden zeigte sich zwar, daß die Granitisation ohne Aufschmelzung, wenn überhaupt, kaum eine große Rolle bei der Gesteinsbildung spielt. Der größte Teil des Granitgesteins bildete sich ohne Zweifel durch Abkühlung aus dem glutflüssigen Zustand (Magma). Sehr schnell mußte man aber erkennen, daß die Klärung der Herkunft der Schmelzen alles andere als einfach ist. Heute untersucht man vor allem den Gehalt an Spurenelementen und bestimmte Isotopenverhältnisse, um die Art der Quelle zu identifizieren. Sie sind gewissermaßen die Fingerabdrücke des Ursprungsortes. Trotz vieler neuer Erkenntnisse erhalten die Wissenschaftler in den wenigsten Fällen eindeutige Ergebnisse. Bei den meisten heute im Gelände anzutreffenden Granitarten (im weitesten Sinn) muß man annehmen, daß das Gestein eine komplexe Geschichte der Aufschmelzung, Erstarrung, Wiederaufschmelzung und des Stofftransports durchlaufen hat. So verwundert es niemanden, wenn man in einem Granit "Fingerabdrücke" von mehreren der nachfolgend aufgezählten Quellen findet:

1. Gruppe: In-Situ-Granit (Ort der Entstehung und der Platznahme identisch): Großräumige Umwandlung (Metamorphose) bis zur teilweisen (partiellen) Aufschmelzung von Kristallin- oder Sedimentgestein aus der Kruste im Bereich von Krustenverdickungen; Metamorphose und Aufschmelzung im Kontaktbereich von Magmen; Umwandlung durch Stoffzufuhr gemäß der oben erwähnten Transformation.

2. Gruppe: Vom Ursprungsort wegtransportierter Granit: Differentiation aus basischen Schmelzen (z.B. Basalt), die vom Mantel aufsteigen; Aufschmelzung von Material der Unterkruste mit nachträglichem Aufstieg in die Oberkruste; Aufnahme von Fremdstoffen durch Aufschmelzung von Gesteinsblöcken, die während des Aufstiegs vom Nebengestein losgerissen werden (Kontamination).

Heute unterscheiden die Geologen mindestens vier verschiedene Granittypen, je nach der wahrscheinlichsten Entwicklungsgeschichte.

Nach heutiger Lesart trennte sich kontinentale Kruste vom Erdmantel durch chemische und gravitative Differentiation. Bis jedoch aus dem dunklen, basischen und ultrabasischen Ausgangsmaterial der helle Granit hervorging, durchlief das Gestein eine mehrstufige Entwicklung. Die Elemente Silizium, Aluminium, Kalium und Natrium wurden in der Folge von mehreren Zyklen der Aufschmelzung, der Trennung vorhandener Kristalle von der Schmelze, des Magmaaufstiegs und der Aushärtung angereichert, während Elemente wie Magnesium, Chrom, Mangan und zum größten Teil auch Eisen in der Restmasse zurückblieben. (Zu diesem Abschnitt: Hölder 1989, S. 133ff., Mehnert 1987.)

Magmatransport

Abb. 4: Migmatit mit hellem Leukosom und dunklem Melanosom. Das Leukosom war zur Zeit des Temperaturmaximums mindestens teilweise geschmolzen, während das Melanosom den ungeschmolzenen Rest darstellt (ca. 1/2 natürl. Größe).

Es besteht Einigkeit unter den Geologen, daß granitische Magmen der tektonisch unruhigen Gebiete ihren Ursprung im Bereich der Unterkruste (Abb. 3) hat. Die granitischen Plutonite, die wir heute finden, haben sich also immer irgendwann als Schmelze vom Muttergestein gelöst und sind nach oben an den heutigen Standort vorgedrungen. Als Folge von Verschiebungs- und Hebungsvorgängen mit anschließender Erosion ist in geologisch aktiven Zonen häufig Unterkrustenmaterial an die Erdoberfläche gelangt. Darin findet man u.a. sogenannte migmatitische Gesteine (Abb. 4), die, wie man aus ihrem speziellen Gefüge schließt, zur Bildungszeit teilweise aufgeschmolzen waren. Migmatit besteht aus unterscheidbaren Bereichen von Leukosom (helle Minerale vorherrschend) und Melanosom (dunkle Minerale vorherrschend), wobei das Leukosom den einst geschmolzenen Anteil und das Melanosom den ungeschmolzenen Rest darstellt. Struktur und Textur können höchst unterschiedlich sein. Es ist naheliegend, einen genetischen Zusammenhang zwischen dem migmatitischen Schmelzanteil und der ähnlich zusammengesetzten Schmelze der Granitplutone herzustellen. Die Migmatite könnten somit das oben erwähnte Muttergestein darstellen.


Abb. 3: Schnitt durch einen aktiven Krustenbereich (quer zur Mittelachse des Gebirges). 1 = Gebirge, 2 = Kruste, 3 = Grenze Kruste-Mantel, 4 = Mantel, 5 = Bereich der Krustenverdickung, 6 = Blattverschiebung mit angrenzendem Pluton (nach Abtragung der Deckschichten), 7 = Diapir, 8 = Bereich des Muttergesteins mit basaltischen Lagergängen (Sills), 9 = Pluton, von einem Dike gespeist, 10 = Basaltquelle an der Kruste-Mantel-Grenze.

Die relativ zum Umgebungsgestein spezifisch leichtere Schmelze hat die Tendenz aufzusteigen. In welcher Form und wie schnell diese Bewegung stattfindet, damit befaßt sich der überwiegende Teil der nachfolgenden Ausführungen. Aufgrund der petrologischen Befunde an bestehenden Graniten erfolgt der Aufstieg über eine Distanz von mehr als 20 km (Clemens & Mawer 1992) von der Unter- zur Oberkruste. Dabei darf die Schmelze nicht erstarren und steckenbleiben, was bedeutet, daß die Temperatur auf dem ganzen Weg über der Erstarrungstemperatur (um 700ºC, abhängig vom Wassergehalt) liegen muß. Bei reiner Wärmeleitung ist die charakteristische Abkühlungszeit im Inneren eines von außen gekühlten heißen Körpers proportional zum Quadrat des Abstandes von der kalten Wand. Darum gilt: Langsamer Transport über eine derart lange Strecke kann nur durch einen entsprechend dicken Kanal (z.B. Diapir) erfolgen; oder umgekehrt: In einem dünnen Kanal (z.B. Dike) kann nur bei entsprechend hoher Durchflußgeschwindigkeit das Erstarren vermieden werden.


Diapir und Dike

Seit Mitte der Achzigerjahre spielt sich unter den Gesteinsforschern eine ähnliche Auseinandersetzung ab wie etwa zur Mitte unseres Jahrhunderts, jedoch mit anderem Inhalt. Die Kontroverse betrifft die Art des Transportes. Der Kampf der Argumente findet jetzt nicht mehr zwischen "Magmatisten" und "Transformisten" statt, sondern zwischen Vertretern des Diapirmodells auf der einen und jener des Dike-Modells auf der anderen Seite. Die einen sind überzeugt, daß Plutone in Form von Diapiren transportiert wurden (z.B. Marsh 1982; England 1992) während die anderen den Dike-Transport (z.B. Clemens & Mawer 1987; Petford et al. 1993) favorisieren. Wie beim früheren Streit gibt es auch bei diesem Wissenschaftler, die beide Ansichten zu versöhnen suchen (z.B. Rubin 1995; Bergantz & Dawes 1994).


Abb. 5: Auffälliger basischer Dike im Grand Canyon (von links unten bis Bildmitte). Der Dike verläuft quer zur Schichtung des Nebengesteins, wie vor allem am oberen Ende unschwer zu erkennen ist.

Abb. 6: Aplitgängchen in Diorit (ca. 2/3 natürl. Größe). Aplit ist eine in Gängen zu findende, sehr feinkörnige Varietät des Granits.

Als Diapir wird allgemein eine im Grundriß runde und im Aufriß pilzartige Ansammlung aus niedrigviskosem Material (z.B. Magma) bezeichnet, das aufgrund von Auftriebskräften durch eine höherviskose Umgebung aufsteigt. Ein bekanntes geologisches Beispiel sind die Salzdiapire oder Salzdome.

Dünne, steilstehende, aus Erstarrungsgestein bestehende Schichten, die quer (diskordant) durch die Nebengesteinsstrukturen hindurchschlagen, nennt man Dikes oder Dykes (Abb. 5 und 6). Dikes, die als Zufuhrkanäle für Plutone gelten, gab man den Namen "Feeder-Dikes". Als typische Ausdehnung granitischer Dikes betrachtet man: l×b×h = 1 km × 5 m × 20 km.


Wie entstehen die granitischen Schmelzen, welche die Plutone speisen?

Im wesentlichen werden zwei Entstehungsmodelle diskutiert (vgl. Abb. 3).

1. Das Sill-Modell: Basaltisches Magma aus dem Erdmantel dringt in Form von Sills (Lagergänge) in das Quellengestein (Metamorphes Sedimentgestein, basisches Erstarrungsgestein) der Unterkruste (ca. 30 km Tiefe) ein. Das Quellengestein wird auf ca. 1000-1200ºC aufgeheizt und partiell aufgeschmolzen.

2. Das Verdickungs-Modell: Krustenverdickung im Zuge einer Gebirgsbildung und gleichzeitiges Erwärmen durch radioaktiven Zerfall bewirken eine partielle Aufschmelzung.

Eine dritte Möglichkeit wäre auch noch denkbar: Granitisches Magma entsteht, solange ein Pluton noch nicht erstarrt ist, durch den sogenannten Differentiationsprozeß aus einem basischen bis intermediären Schmelze-Kristall-Gemisch, indem sukzessive die basischen Anteile auskristallisieren und absinken, bis die Restschmelze im oberen Bereich des Magmenkörpers eine saure (granitische) Zusammensetzung besitzt und auskristallisiert. Weil jedoch in den allermeisten Batholithen-Gebieten eine dementsprechende basische Wurzel und der Übergang zum sauren Bereich fehlen und zudem die Isotopenmerkmale vielfach eindeutig dagegen sprechen, ordnet man, zumindest für kontinentale Kristallingebiete, diesem Entstehungsmodell wenig Bedeutung bei (z.B. Hall 1987, Kap. "Granites").

Die Aufheizung des Muttergesteins erzeugt, wenn nicht extrem hohe Temperaturen im Spiel sind, keine reine Schmelze, sondern einen Kristallbrei mit einem Schmelzanteil von meist weniger als 50%. Die Viskosität (Widerstand gegen das Fließen) des Schmelze-Restmatrix-Gemisches im Muttergestein ist niedriger als jene des ursprünglichen Festkörpers, aber selbst bei 50% Schmelzanteil immer noch sehr hoch (Clemens & Mawer 1992). Ein solches Gemisch kann seinen Entstehungsort nicht verlassen. Die Schmelze muß zuerst von der Matrix getrennt werden.


Theoretische Grundlagen des Dike-Modells

Die Aufschmelzvorgänge in der Unterkruste sind natürlich nicht direkt beobachtbar. Darum muß man sich mit physikalischen Modellen aus den Gebieten der Gesteinsmechanik, der Diffusions-, Strömungs-, und Thermodynamik behelfen. Diese Modelle enthalten viele Vereinfachungen und Approximationen, die den Beobachtungen standhalten müssen.

Segregation der Schmelze von der Matrix

Als Segregation bezeichnet man in einem partiell aufgeschmolzenen Gestein die Trennung der Schmelze von der Matrix, also der niedrigviskosen "Flüssigkeit" vom hochviskosen Rest. Weil das Gestein unter Druck steht, wird die "Flüssigkeit" aus dem starren Festkörperanteil ausgepreßt.

In der Vergangenheit wurde zur Berechnung dieses Vorganges meist das sogenannte Darcy-Gesetz verwendet, das die Geschwindigkeit der Schmelze relativ zur Matrix in Abhängigkeit von Druckgradient, Viskosität der Schmelze sowie Porosität und Permeabilität (Durchlässigkeit) der Matrix beschreibt. Da es aber die mechanischen Eigenschaften der Matrix, insbesondere deren Viskosität, vernachlässigt, wird dieses Gesetz den vorliegenden Verhältnissen nicht gerecht (Ribe 1987: "Es ist leichter, Wasser aus einem Schwamm als aus einem Backstein auszupressen"). Deshalb wurde nach 1980 die genauere Theorie der Zweiphasenströmung auf dieses Problem angewandt. Daraus ließ sich ein generalisiertes Darcy-Gesetz ableiten, das die viskosen Eigenschaften der Matrix mit einbezieht.

Abb. 7: Gravitative Kompaktion in einem partiell aufgeschmolzenen Gebiet, das mit einer undurchlässigen Deckschicht nach oben abgeschlossen ist. Je dichter die Punkte, desto kleiner der Anteil der Schmelze gegenüber der Matrix. Nur über die Distanz l (Kompaktionslänge) findet die Verdichtung statt.

Liegt eine poröse und durchlässige Schicht, die mit einer spezifisch leichteren Flüssigkeit gesättigt ist, über einer undurchlässigen, so "setzt" sich der feste Anteil mit der Zeit an der Oberfläche der undurchlässigen Schicht ab und die Flüssigkeit sammelt sich im oberen Teil der durchlässigen Schicht. Die Verdichtung geschieht aber nicht einfach im ganzen durchlässigen Bereich gleichzeitig, sondern in einer Grenzschicht mit der Dicke einer sogenannten Kompaktionslänge, die sich langsam von unten nach oben durch den Bereich hindurcharbeitet (Abb. 7). Die Extraktionsrate der Flüssigkeit hängt in erster Linie von der Matrixviskosität ab. Die treibende Kraft ist der Auftrieb der Schmelze gegenüber der Matrix.

Das hier skizzierte Kompaktionsmodell ist jedoch unvollständig. Neben den mechanischen (Massen- und Impulserhaltung) muß man auch die thermodynamischen (Schmelzwärme), die geochemischen (Haupt- und Spurenelemente) und die isotopengeologischen Aspekte einzubeziehen. Den Elementen und Isotopen kommt insofern eine hohe Bedeutung zu, als sie wichtige Hinweise über die Zusammensetzung in der Quellenregion, den Grad der Aufschmelzung und die Geschwindigkeit der Extraktion geben. Eine in diesem Sinne umfassende Theorie ist jedoch noch nicht in Sicht, weil die chemischen und physikalischen Zusammenhänge sehr komplex sind und neue Ansätze sehr aufwendig überprüft werden müssen.

Für basische und ultrabasische Schmelzen mit niedriger Viskosität (1-100 Pa·s = Pascal × Sekunden) scheint sich die neue Kompaktionstheorie zu bewähren (Riley Jr. et al. 1990 für ultrabasisches Magma). Für die relativ hochviskosen (104-106 Pa·s, Petford 1995) granitischen Schmelzen ist das Kompaktionsmodell jedoch zu wenig effizient, weil die Bildung einer mehrere km dicken Magmaschicht 1 Milliarde Jahre in Anspruch nehmen würde. Nur wenn man einen sehr hohen Aufschmelzungsgrad (> 50%) und die Viskosität an der unteren Ende des Toleranzbereichs ansetzt, erhält man zu den Basalten vergleichbare Ergebnisse. Untersuchungen an Migmatiten (Brown 1994) und Rückschlüsse aufgrund des Chemismus (Petford 1995) zeigten jedoch, daß so hohe Schmelzanteile wahrscheinlich selten sind. Auch Scaillet et al. (1996) kommen zum Schluß, "daß Kompaktion allein wahrscheinlich kein effizienter Prozeß der Magmasegregation in der kontinentalen Kruste ist".

Entstehung von Spalten und Gängen

Realistischere Segregationszeiten ergeben sich, wenn anstelle des Konzepts der homogenen Segregation zugelassen wird, daß die Quellenregion mit Gängen und Spalten durchzogen ist, die sich mit Magma füllen (Clemens & Mawer 1992, Petford et al. 1993, Petford 1995). Es gibt zwei verschiedene Arten, wie sich Spalten bilden (Brown 1994):

1. Dynamisch, d.h. aufgrund von Differenzdrücken, die durch Deformation verursacht werden. Vorgegebene Deformations- und Schwächebereiche befinden sich vor allem im Umfeld von aktiven Störungszonen, wo Gesteinsschollen an einer Grenzfläche (Bruchfläche) relativ zueinander verschoben werden. Aktive Störungszonen kennzeichnen jene Krustenregionen, die hohen gerichteten Spannungsfeldern ausgesetzt sind, z.B. Regionen mit andauernder Gebirgsbildung. Beim Transport der Schmelze in die Oberkruste dienen solche Bruchflächen bevorzugt als Kanäle.

2. Statisch durch Volumenausdehnung im Bereich der partiellen Aufschmelzung. Das vergrößerte Volumen erhöht den Porendruck auf 10-100 Mbar, und es bilden sich hydraulische Spalten. Bei einer effektiven Dehnungsspannung von 10 MPa (100 Bar) bricht ein intaktes, ungeschmolzenes Gestein (Petford 1995), geschiefertes oder geschwächtes Gestein schon früher.

Findet die Aufschmelzung unter Deformation statt, reicht schon ein Aufschmelzungsgrad von weniger als 5% (d.h. leicht über der Permeabilitätsschwelle), um magmagefüllte Bereiche zu bilden. Deformationskräfte pressen die Schmelze aus dem Gestein wie Wasser aus einem Schwamm. Das Magma sammelt sich in Taschen und Spalten und wird, falls die Spalten sich zu Gängen zusammenschließen (Takada 1994), wegtransportiert (Petford 1995). Sind die Abstände zwischen den Spalten geringer als eine Kompaktionslänge, so geschieht das Auspressen sehr schnell (Clemens & Mawer 1992).

Magma-Transport, Self-propagating Dikes


Abb. 8: Eruptionszeit von Basalt in Abhängigkeit von der Reservoir-Querschnittsfläche. (Erklärung im Text, nach Spence & Turcotte 1990)

Ausgehend von einem Schmelze-Reservoir in der Unterkruste untersuchten Spence & Turcotte (1990) in einem einfachen zweidimensionalen Modell, in welcher Form und in welcher Zeit sich ein basaltischer Dike durch die Kruste fortpflanzt. Dabei nahmen sie an, daß kein Magma von außerhalb des Dikes zu- oder abfließt und daß der Auftrieb die einzige treibende Kraft ist. Die erste Annahme ist legitim, falls die Segregation zur Bildung eines Reservoirs viel länger dauert als dessen Entleerung. Für die Dike-Breite in Abhängigkeit von der Tiefe und der Zeit erhalten sie eine einfache Gleichung. Die benötigte Zeit bis zur Eruption und die mittlere Fließgeschwindigkeit sind in Abb. 8 in Abhängigkeit von der Reservoir-Querschnittsfläche dargestellt (Anfangsbedingungen: Länge/Dicke des Reservoirs 105 m/10 m, Reservoir-Tiefe 50 km; 106 s entsprechen etwa 11.5 Tagen). Abb. 9 zeigt die halbe Dike-Breite an der Eruptionsstelle unmittelbar nach dem Durchschlag als Funktion des Reservoir-Querschnitts. Links von der gestrichelten Linie "s/e" (in Abb. 8 und 9) erreicht der Dike bei der vorgegebenen Anfangstemperatur die Oberfläche nicht, weil er vorher erstarrt.


Abb. 9: Halbe Dike-Breite nach dem Durchschlag an der Oberfläche in Abhängigkeit von der Reservoir-Querschnittsfläche. (Erklärung im Text, nach Spence & Turcotte 1990)

Erodierte Dikes zeigen Breiten von 0,5-5 m, was durchaus im Erwartungsbereich des Modells ist. Das Modell von Spence & Turcotte versagt an der Dike-Spitze, wo Gesteinsdeformationen berücksichtigt werden müssen. Es erklärt auch nicht, wie eine erste Spalte entsteht, die sich danach dem Modell gemäß fortpflanzt. Clemens & Mawer (1992) hingegen widmen sich dem Problem der Spaltenöffnung und zeigen, daß die Spannungskonzentration an der Dike-Spitze die Festigkeit jeglichen Gesteins bei weitem übersteigt. Eine magmagefüllte Spalte verlängert sich in katastrophischer Weise, solange nur der Magmanachschub genügend schnell ist. Ähnlich, aber viel schneller breitet sich im Erdbebenherd die Verschiebungsfront eines Erdbebens aus. Alles läuft von selbst, sobald einmal eine "Initialzündung" stattgefunden hat. Der Einfluß der Vorgänge an der Dike-Spitze auf das Modell von Spence & Turcotte ist sehr klein.

Abb. 10: a Beziehung zwischen Dike-Breite und der Zeit, die ein granitischer Dike benötigt, um 20 km aufzusteigen.
b Benötigte Zeit, um einen Batholithen von 2000 km3 Inhalt durch ein 20 km langes Dike-System zu füllen, in Abhängigkeit von der Dike-Breite. Die Werte der übrigen Parameter: horizontale Dike-Ausdehnung 1 km, Viskosität 105 Pa·s, Dichteunterschied zwischen Magma und Nebengestein 350 kg·m-3, Schermodul des Nebengesteins 3,1 × 1010 Pa, Poisson-Zahl 0,28. (Nach Clemens & Mawer 1992)

Die Fließgeschwindigkeit ist umgekehrt proportional zur Viskosität. Deshalb fließt eine granitische Schmelze langsamer durch einen Dike gleicher Breite als eine Basaltschmelze. Um das Erstarren zu vermeiden, muß die Dike-Breite also entsprechend größer sein (2-20 m laut Petford 1995, Petford et al. (1993) geben eine Formel für die kritische Dike-Breite). Abb. 10 zeigt die Dike-Breite in Abhängigkeit von der Zeit, die der Dike benötigt, um 20 km aufzusteigen (Kurve a). Darin ist gestrichelt auch die kritische Breite eingezeichnet. Natürlich bedient sich ein Dike bevorzugt einer schon existierenden Bruchfläche. Betrachtet man eine geologische Karte der Alpen näher, so fällt auf, daß die jungen Batholithe in der Nähe von Störungszonen auftreten (z.B. Adamello- und Bergellergranit an der insubrischen Linie) (Brown 1994, Petford 1995).

Eine Bestätigung anhand von Beobachtungen und Experimenten fanden diese Berechnungen in den Arbeiten von Wada (1994) an granitischen bis basaltischen Gängen in Japan und Peru und von Scaillet et al. (1996) an Leukogranit des Himalaja.

Platznahme eines Plutons

Eine häufig diskutierte Plazierungsart ist das sogenannte "Ballooning", von einem Dike gespeist. Wie das geschehen könnte, ist in Abb. 11 skizziert (nach Paterson & Fowler 1993). Durch Wegdrücken der umliegenden Gesteinsmassen entsteht ein ballonartiger, mit Schmelze gefüllter Hohlraum. Das fett gezeichnete Quadrat beschreibt die ursprüngliche Fläche vor der Intrusion. Natürlich werden solche Vorgänge in Zerrungsbereichen von Störungszonen enorm erleichtert und vielleicht sogar erst ermöglicht, da viele nötige Materialbewegungen nicht im unmittelbaren Umfeld des Plutons kompensiert werden können (Pfeile in Abb. 11). Die Spannung ist in Zerrungsbereichen derart ausgerichtet, daß die Schollen auseinandergerissen (Krustendehnung), statt wie z.B. bei einer Faltenbildung zusammengedrückt zu werden (Krustenverkürzung, Kompression). Aber auch im Druckschatten von Gebirgsbildungen, bei denen eigentlich Kompression, also Krustenverkürzung vorherrscht, gibt es lokale Zerrungszonen. Hutton et al. (1990) konnten an einem grönländischen Granit zeigen, daß dessen Intrusion zeitlich mit einer Krustenzerrung zusammenfiel.


Abb. 11: Materialverschiebung im Nah- und Fernfeld einer Pluton-Platznahme durch sogenanntes "Ballooning". Die ursprünglich beanspruchte Fläche des Originalgesteins ist durch das schwarze Quadrat auf der Vorderfläche angedeutet. Kompensation der Platznahme durch Fließprozesse (bei weichem Gestein) und/oder Verschiebung entlang von Störungsflächen (bei sprödem Gestein) im Nahfeld. Wie leicht zu sehen ist (Pfeile!) müssen diese Bewegungen auf jeden Fall noch weitere Auswirkungen im Fernfeld haben. (Nach Paterson & Fowler 1993)

Die einzelnen Plutone eines Batholiths können zu verschiedenen Zeiten zum Erstarrungsort aufsteigen und unterscheiden sich meistens in Chemismus und Struktur. Viele dieser Plutone weisen aber in sich ebenfalls chemische Heterogenitäten auf. Sie sind vermutlich nicht in einem einzigen magmatischen Ereignis, sondern in mehreren Phasen gewachsen. Petford (1995) beschreibt einen möglichen Zyklus der Magmaplazierung, den er "Magma Pulsing" nennt:

Langandauernde Wärmezufuhr in der Quellenregion bewirkt eine partielle Aufschmelzung. Die Porosität erhöht sich bis zu einer oberen Grenze, wenn sich ein Teil der Schmelze katastrophisch durch Dikes in einen Pluton entleert. Bedingt durch das Abfließen sinkt die Porosität rapid auf einen unteren Schwellwert, und, wegen der weiter andauernden Erwärmung, steigt die Porosität wieder und der Zyklus beginnt von Neuem. Die Periodendauer eines Zyklus hängt von der Art des Wärmetransports ab.

Im übrigen ist es wahrscheinlich, daß oftmals mehrere Dikes einen einzigen Pluton speisen.

Prozeßabläufe mit "ungeologisch" hohen Geschwindigkeiten

Ein wesentliches Merkmal des Dike-Modells ist der schnelle Transport. Berechnungen zufolge kann eine durchschnittliche Schmelze in 41 Tagen durch einen 6 m weiten und 30 km langen Dike transportiert werden. Ein Batholith von 6000 km3 kann sich so innerhalb von 350 Jahren füllen (Petford et al. 1993). Die Beobachtungen von Scaillet et al. (1996) ergaben, daß ein 2 km dicker Himalaja-Lakkolith, den sie untersuchten, in wenigen Jahren gebildet wurde. Eine "häppchenweise" Entstehung über Zehntausende von Jahren ist ausgeschlossen, weil entsprechende Spuren innerhalb des Lakkoliths fehlen. Am Kontakt, der Nahtstelle zwischen zwei Plutonen, müßte nämlich der schon abgekühlte ältere Pluton vom neu ankommenden heißen wieder erwärmt und umgewandelt werden. Die besonderen Eigenschaften der gefundenen Feeder-Dikes (Dicke und Erwärmungsspuren im Nebengestein) bestätigen diese Schlußfolgerung.

Wie ist es aber mit dem Magmanachschub bestellt? Eine größere Ansammlung von schmelzflüssigem Material mit der benötigten niedrigen Viskosität bleibt nicht über längere Zeit in der Unterkruste. Somit kann mit dem Standardmodell der Magmaentstehung in einer Regionalmetamorphose (Abfolge: Krustenverdickung - Aufheizung durch Wärmeleitung - Aufstieg aufgrund der Erosion an der Erdoberfläche - Anatexis durch Druckentlastung als Folge des Aufstiegs - nachfolgende Abkühlung mit der typischen uhrzeigerförmigen Kurve im Druck-Temperatur-Diagramm) kein Batholith in 350 Jahren oder noch schneller entstehen. Mit dem oben erwähnten, immer beliebteren Sill-Modell jedoch gibt es eine Erklärung, wie ein Hunderte oder Tausende von Metern dicker partiell aufgeschmolzener Bereich in der erforderlichen Zeit bereitgestellt werden kann (Huppert & Sparks 1988, Clemens & Mawer 1992, Raia & Spera 1997). Ein weiterer zeitkritischer Vorgang ist die Sammlung der Schmelze in Spalten und Gängen. Für diesen Prozeß muß man das erweiterte Darcy-Gesetz anwenden. Aber auch hier erhält man unter Annahme von vernünftigen negativen Druckgradienten zum Spalt hin und plausiblen Spaltenabständen sehr kurze Zeiten. Clemens & Mawer (1992) rechnen mit einem Gradienten von 10 MPa/m und kommen bei Viskositäten der Schmelze zwischen 104 und 106 Pa·s auf Werte zwischen 17 Stunden und 127 Jahren.

Ein ungelöstes Problem ist die oft durch radiometrische Analysen begründete langsame Druckentlastung und Abkühlung (Exhumierung) in Orogen-Zonen. In der Literatur werden Zeiten von 10 bis über 100 Millionen Jahre angegeben. Aufgrund der geologischen Beobachtungen müßten viele Batholithe, die ja in den meisten Fällen sehr eng mit den Gebirgsbildungen verbunden sind, entsprechend langsam entstanden sein (Petford et al. 1993). Wie oben erwähnt, sind Spuren an den Kontakten zwischen einzelnen Magma-"Häppchen" (Batches) eher selten, und viele Batholithe weisen über größere Bereiche eine ausgesprochen homogene Isotopenverteilung auf. Chemische Analysen zeigen überdies in gewissen Fällen, daß sich zwischen der Schmelze und dem Restgestein im Quellengebiet kein chemisches Gleichgewicht einstellen konnte, bevor das Magma entzogen wurde. Weil sich Spalten und Gänge im Quellengestein so leicht bilden, gibt es dort auch keine ausgedehnten Magmakammern, in denen eine Homogenisierung durch Konvektion stattfinden könnte. Dies bedeutet, daß die einzelnen Batches, die in kurzer Folge nach oben entweichen, ein eher kleines Volumen umfassen. Alle diese Befunde ergeben dann einen Sinn, wenn in kurzer Zeit in einem eng begrenzten Bereich der Unterkruste sehr viel Magma gebildet wird und das Material entweder vor der Segregation oder bei der Plazierung eine chemische Homogenisierung erlebte (Petford 1995).

Ein sehr starkes Indiz für schnellen Transport - d.h. auch für Transport in Dikes und nicht in Diapiren - ist das Mineral Epidot, das in einigen Batholithen gefunden wurde (z.B. Front Range, Colorado; White Creek, British Columbia). Epidot ist nur in Tiefen größer als ca. 20 km im Kontakt mit Magma stabil. Laut experimentellen Untersuchungen von Brandon et al. (1996) zersetzen sich die 0,5 mm großen Epidotkörner des Front Range bei 800ºC in 50 Jahren, wenn sie den Weg in die Oberkruste antreten. Im Falle des White-Creek-Batholiths errechnete man aus der Größe der gefundenen Körner sowie der angenommenen Temperatur und Tiefe vor dem Magmaaufstieg eine Fließgeschwindigkeit von mindestens 700 m/Jahr.

Somit ist die Entstehung eines Batholiths (Abb. 12) in Jahrzehnten bis Jahrhunderten durchaus realistisch. Nach dem heutigen Stand der Forschung dauert die Abkühlung des heißen Magmas jedoch wesentlich länger. Man geht hierbei meist von mehr oder weniger reiner Wärmeleitung aus. Weitergehende Untersuchungen müssen in der Zukunft abklären, ob allenfalls die Struktur und Zusammensetzung der Batholithe und deren Kontaktaureolen, d.h. die Spuren der Erwärmung und Bewegung im Nebengestein, Hinweise auf Abkühlungsmechanismen liefern, die kürzere Abkühlungszeiten nahelegen.


Abb. 12: Skizze eines Ausschnitts des Coastal Batholiths von Peru, wie er sich an der Oberfläche zeigt. Die einzelnen Plutone sind numeriert. Spezielle Ring-Dikes sind mit "P" und "A" bezeichnet. (Nach Hall 1987, Fig. 69)


Diapir- vs. Dike-Transport

Geologische Aspekte

Die Plutone sind vielfach im Grundriß rund und haben eine ballonartige Struktur. Neben dieser "suggestiven" Form der Plutone wurden auch die Kontaktaureolen und die senkrechten Scherungsspuren an der Grenze zwischen Pluton und Nebengestein als Hinweis auf diapirisches Aufsteigen angegeben (z.B. England 1992). Es ist aber nicht möglich, aus lokalen Wechselwirkungen zwischen Pluton und Nebengestein auf die Art des Magmatransports zu schließen (Brown 1994). Zudem bestreiten Clemens & Mawer, daß diese Merkmale überhaupt entsprechend oft vorkommen (s.a. Paterson & Fowler 1993).

An vielen Orten wurden sogenannte "Basal Feeder-Dikes" gefunden, also Dikes, die längere Zeit Magma zum Pluton führten (Clemens & Mawer 1992, Scaillet et al. 1996). Auch die Nähe und sogar Koinzidenz mit Bruchflächen großer Störungszonen spricht für einen vorwiegend zweidimensionalen Transport.

Gegen das Dike-Modell wird oft das fast vollständige Fehlen entsprechender Spaltenstrukturen in den Überbleibseln von Quellengesteinen (Migmatiten und Granulitfazies-Gesteinen) vorgebracht. Man darf aber nicht vergessen, daß das Quellengestein der höchsten Mobilität unterworfen ist und Strukturen schnell entstehen und wieder verschwinden können. Langandauernde Blattverschiebung kann Zeugen des Magmatransports komplett auslöschen (Brown 1994). Auch die Spalten im übriggebliebenen Quellengestein können durch Schließung und Umkristallisation bis zur Unkenntlichkeit verändert werden (Clemens & Mawer 1992).

Ergebnisse von Modellrechnungen

Natürlich zeigt das Dike-Modell auch in seinem abstrakten Inhalt gewisse Schwächen. Wie schon erwähnt, bedarf es einer "Initialzündung", damit sich ein Dike in einem selbstverstärkenden Prozeß nach oben ausbreitet. Aber niemand weiß genau, wie lang eine magmagefüllte Spalte sein muß, damit die "Zündung" erfolgt. Rubin (1993, 1995) hat sich dieses Problems angenommen, wenigstens in der Theorie. Nach seinen Berechnungen muß, bei Verwendung der günstigsten Parameterwerte, ein solcher "Proto-Dike" mindestens 60 m lang sein, bei typischen Werten mindestens eine Größenordnung länger. Wie eine derart lange Spalte "einfach so" entstehen kann, ist im idealisierten Magmaquellenmodell von Rubin natürlich schwer zu erklären, denn Rubin untersucht nur eine einzige, isolierte Spalte in ungestörter Umgebung. Denkt man sich einen heterogenen, partiell aufgeschmolzenen Bereich mit vielen kürzeren, kompliziert geformten Spalten neben- und übereinanderliegend, so kann man sich gut vorstellen, daß mehrere dieser Spalten sich unter günstigen Bedingungen zu einer einzigen, dickeren und längeren vereinigen, die dann die nötige Länge aufweist.

Unter den Verfechtern des Diapirmodells hat das sogenannte "Hot-Stokes"-Modell viele Anhänger gefunden. Dieses Modell wurde vor allem von Marsh (1982) ausgearbeitet und z.B. von Mahon (1988) erweitert. Vereinfacht besagt es: Der heiße Diapir weicht das kalte Umgebungsgestein im Randbereich ganz auf, so daß eine niedrigviskose Schale entsteht. Diese aufgeweichte Schale wird nachfolgend vom Auftriebsdruck des Diapirs nach unten "abgestreift". Mit dem "Abstreifen" der Schale ist der Diapir im Erdinnern um die Schalendicke aufgestiegen. Nun kann er wieder eine neue weiche Schale aufbauen, und der Zyklus beginnt von vorn. Der Diapir steigt so langsam, Schalendicke um Schalendicke auf. Kritiker wie Clemens & Mawer (1992) und Brown (1994) wenden jedoch ein, daß der Diapir zu viel Wärmeenergie an diese Schale verliert, um vor dem Erstarren genügend hoch in der Kruste aufzusteigen. Brown (1994) meint, daß Diapirismus nur in einem partiell aufgeschmolzenen Gestein selber vorkommen kann, weil nur dieses die nötige Duktilität ("Biegsamkeit") besitzt.

Vielleicht gibt es doch noch einen Ausweg, wie die Diapire dem "Kältetod" genügend lange entgehen könnten. Schon länger weiß man nämlich, daß die Viskosität von Krustenmaterial keine Konstante ist, sondern mit zunehmender Scherspannung sinkt. Berücksichtigt man diesen Effekt, ergeben sich nach Berechnungen von Weinberg & Podlachikov (1994) Aufstiegsgeschwindigkeiten von 10-100 m/Jahr, und dies ohne entsprechende Wärmeverluste an die Umgebung, die den Aufstieg des Magmas verhindern würden. Auf diese Art könnte ein Diapir von einigen Kilometern Durchmesser ohne weiteres bis zur Oberkruste gelangen. Allerdings räumen die Autoren ein, daß die zu berücksichtigenden Gesteinsparameter noch zu wenig bekannt sind, um ihrem Modell genügend Gewicht zu geben.

Rubin (1995) zeigt in seinen Modellrechnungen, daß in der Frage ob Dike oder Diapir, nicht nur die Viskosität des Magmas allein, sondern vor allem der Viskositätskontrast zwischen Magma und Nebengestein eine wesentliche Rolle spielen. Ein großer Kontrast spricht für Dikes, ein kleiner für Diapire. Möglicherweise gibt es einen Übergangsbereich zwischen den beiden Transportarten. Mischformen sind also durchaus denkbar.

Laborversuche könnten viele Fragen klären, die im Zusammenhang mit den Transportmodellen aufgetaucht sind. Solche wurden denn auch immer wieder durchgeführt. Nur haben diese Versuche einen Haken: Sie laufen alle in einem gerafften Zeitrahmen ab, so daß die Ergebnisse nicht ohne Zuhilfenahme von wenig gesicherten Extrapolationen auf die realen Verhältnisse angewandt werden können (Paterson 1987).


Schlußbemerkung

Die Kontroverse um den Magmatransport ist, wie erwähnt, voll im Gang. Wahrscheinlich haben beide Modelle ihre Berechtigung; nur kennt noch niemand die Bedingungen, unter denen der eine oder der andere Prozeß abläuft. Zur Klärung dieser grundlegenden Fragen benötigt man vor allem eine umfassende Theorie der Materialverschiebungen in Kruste und Mantel. Eine weitere Lücke besteht auch in der Kenntnis von physikalischen Gesteinsparametern bei den entsprechenden Umgebungsbedingungen (Druck, Temperatur, Wassergehalt usw.). In der letzten Zeit rückt auch die Erforschung von sogenannten Fremdgesteinseinschlüssen immer mehr in den Vordergrund. Diese "Findlinge" des Magmatransports geben wichtige Hinweise auf das Nebengestein, welches das aufsteigende Magma unterwegs angetroffen hat. Trotz der Wissenslücken ist es immerhin bemerkenswert, daß im Erdinnern aller Wahrscheinlichkeit nach großräumige Prozesse ablaufen, oder zumindest über gewisse Zeiten der Erdgeschichte abgelaufen sind, die um Größenordnungen schneller sind als die üblicherweise postulierten geologischen Geschwindigkeiten wie z.B. die Plattenverschiebungen in der Plattentektonik (typisch einige Zentimeter pro Jahr).


Literatur

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Glossar

Batholith:
Aus mehreren Plutonen zusammengesetzter Komplex aus Erstarrungsgesteinen.
Blattverschiebung:
Horizontale Verschiebung zweier Krustenteile gegeneinander. Die Verschiebung geschieht an einer mehr oder weniger senkrechten Bruchfläche von z.T. über 1000 km Länge.
Diapir:
eine im Grundriß runde und im Aufriß pilzartige Ansammlung aus niedrigviskosem Material (z.B. Magma), das aufgrund von Auftriebskräften durch eine höherviskose Umgebung aufsteigt.
Dike:
Dünne, steilstehende, aus Erstarrungsgestein bestehende Schicht, die quer (diskordant) durch die Nebengesteinsstrukturen hindurchschlägt.
Granulitfazies-Gestein:
Gestein, dessen Mineralgesellschaft bei Druck- und Temperaturverhältnissen der Unterkruste geprägt wurde.
Intrusion:
Eindringen von Magma in den Erstarrungsraum. Im Gegensatz zur Eruption findet die Intrusion unterhalb der festen Erdoberfläche statt.
Kompaktionslänge:
Charakteristische Distanz, über welche Druckdifferenzen aufgrund der viskosen Deformation aufrecht erhalten werden können (Richardson et al. 1996).
Kontaktaureole:
Kontaktmetamorpher Rand im Nebengestein von Magma-Intrusionen. Die Aufheizung des Nebengesteins bei relativ geringem Druck läßt dafür typische Minerale entstehen.
Lakkolith:
Linsenförmige, schichtparallele Magma-Intrusion.
Lithosphäre:
Erdkuste und oberster Teil des Erdmantels bis etwa 100 km Tiefe.
Metamorphose:
Gesteinsumwandlung infolge von Temperatur- und Druckveränderungen. Das neu entstehende Gestein erleidet eine Umwandlung des Gefüges allein oder des Gefüges und des Mineralbestandes.
Pluton:
Erstarrungskörper einer einzelnen Intrusionsepisode. Größe und Form meist unregelmäßig.
Plutonit:
Im Innern der Erdkruste erstarrtes Gestein (im Gegensatz zum Vulkanit, der an der Erdoberfläche entsteht).
Viskosität:
Maß für die Zähflüssigkeit. Anschaulich: Je langsamer eine spezifisch schwerere Kugel in einer spezifisch leichteren Flüssigkeit abtaucht, desto höher ist die Viskosität. Die Einheit der Viskosität ist Pascal × Sekunden (Pa·s; Wasser: 0.001 Pa·s, Rizinusöl: 1 Pa·s, basaltische Schmelze: 1-100 Pa·s, granitische Schmelze bei 950ºC und 1,5 % H2O: 104-106 Pa·s, Fensterglas bei Raumtemperatur: 1020 Pa·s).


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Studium Integrale Journal 5. Jg. Heft 1 - April 1998