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Ausgefeilte Flugsteuerung bei Fledermäusen

von Reinhard Junker

Studium Integrale Journal
24. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2017
Seite 100 - 101


Zusammenfassung: Dass Fledermäuse hervorragend fliegen können, dabei sehr wendig sind und den Flug mit Echoortung verbinden, ist schon länger bekannt. Darüber, wie die Flugsteuerung funktioniert, wusste man bisher dagegen relativ wenig. Ein Forscherteam hat dazu interessante Details der Reizwahrnehmung und Rückkopplung entdeckt.


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Abb. 1: Große Braune Fledermaus (Eptesicus fuscus) beim nächtlichen Flug; Sulphur Springs, Central Washington Desert, USA. (Bild: Michael Durham, © naturepl.com)

Fledermäuse sind unübertroffene Flugkünstler und stellen jedes von Menschen konstruierte Flugzeug hinsichtlich seiner Wendigkeit weit in den Schatten. Die Faszination über ihre Fähigkeiten speist sich insbesondere daraus, dass ihre Orientierung durch ein ausgefeiltes Echoortungssystem ermöglicht wird, das am besten als „Echo-Bildsehen“ zu beschreiben ist. Wenn man so will: Fledermäuse sehen mit den Ohren und produzieren zudem einen großen Teil des Schalles, den sie aufnehmen, auch noch selber, um sich anhand der Echos zu orientieren und Beute zu orten und zu erhaschen. Zu diesem Zweck können sie im Maximum pro Sekunde über 100 kurze Schreie ausstoßen, deren Länge und Lautstärke in Abhängigkeit vom Abstand zur Beute moduliert wird, sodass das Echo je nach Entfernung laut und lang genug ist, um aufgenommen werden zu können. Bei Annäherung an die Beute werden die Laute kürzer und leiser, sodass die Echos zeitlich nicht überlappen und jederzeit ausgewertet werden können. Das muss zugleich mit der Flugsteuerung eng gekoppelt sein, sonst würde das beste Echoortungssystem den Fledermäusen nichts nützen (Junker 2011).

Abb. 2: Fledermäuse sind ausgesprochene Flugkünstler. Oben: Eine Gruppe der Mexikanischen Bulldoggfledermaus (Tadarida brasiliensis), unten: Das Große Mausohr (Myotis myotis). (CC BY-SA 4.0)

Waren die bisherigen Kenntnisse über das Orientierungsvermögen und die Flugkünste der Fledermäuse schon atemberaubend, wurde nun ein weiterer Baustein des Flugsteuerungssystems genauer untersucht. Die Wendigkeit ihres Fluges verdanken die Fledermäuse einem Rückkopplungssystem: Einzigartige, in den Flughäuten angeordnete Sensoren werden genutzt, um die Druckverhältnisse, die beim Flug an den Flügeln herrschen, ans Gehirn zu melden. Mikroskopisch kleine Haare auf den Flügeln werden dabei durch Luftströmungen beeinflusst und stimulieren entsprechende Nervenzellen. Die Neuronen im Gehirn reagieren auf die eingehenden Informationen, um in Sekundenbruchteilen Korrekturen der Flügelposition mit Hilfe spezieller Muskeln einzuleiten und somit den Flug zu kontrollieren. Die Fledermäuse gewinnen also über Druck- bzw. Strömungsrezeptoren Informationen über die Druckverhältnisse an verschiedenen Stellen der Flügel.

Wissenschaftler untersuchten nun bei der Großen Braunen Fledermaus (Eptesicus fuscus, Abb. 1) erstmals die Verteilung der verschiedenen Sinnesrezeptoren auf dem Flügel und die Verbindungen der Flughaut mit dem Nervensystem (Marshall et al. 2015). Im Vergleich zu anderen Extremitäten von Säugetieren besitzt der Fledermausflügel eine einzigartige Verteilung der Haarfollikel (in die Haut eingesenkter Teil der Haare) und der berührungsempfindlichen Rezeptoren. Das räumliche Muster der Rezeptoren legt nahe, dass verschiedene Teile des Flügels unterschiedlich mit Sensoren ausgestattet sind und entsprechend verschiedene Information ans Gehirn senden können. Während Sinneszellen zwischen den Fingern auf Dehnung der Flughaut und auf Änderungen der Windrichtung reagieren können, scheinen andere Rezeptoren, die in Verbindung mit den Haaren stehen, darauf spezialisiert zu sein, Turbulenzen des Luftstroms beim Flug zu registrieren. Außerdem besitzen Fledermaus-Flügel exklusiv besondere sensorische Nervenzellen, die mit großen Teilen des Rückenmarks verbunden sind.

Notwendige Voraussetzungen werden wie so oft irrtümlich als Erklärungen ausgegeben.

Als vor ca. zehn Jahren einige genetische Grundlagen der Verlängerung der Fingerknochen und der Unterdrückung des programmierten Zelltods der Haut zwischen den Fingern entdeckt wurden (Sears et al. 2006, Weatherbee et al. 2006, Sears 2008), wurde die Einschätzung geäußert, kleine Änderungen in der Expression (Ablesung) von Schlüsselgenen könnten zu großen Änderungen im Bau der Knochen und der Flughaut führen und dies könnte ein Schlüssel zum Verständnis der Evolution des Fledermausfluges sein. Angesichts der vielen Details, die ausgebildet und aufeinander abgestimmt sein müssen, damit wenigstens eine minimale Flugfunktion ausgeübt werden kann, war diese Einschätzung schon damals völlig unrealistisch. Je mehr Details über die Voraussetzungen des Fledermausflugs herausgefunden werden, desto klarer zeigt sich, dass viele Teilsysteme gleichzeitig verwirklicht und aufeinander abgestimmt sein müssen, damit ein Flug möglich ist. Schließlich wäre der beste Flugapparat ohne Sensoren und Rückkopplungsmechanismen zwecklos. Diesen Mechanismen liegen anspruchsvolle Regelkreise zugrunde (Fühler, Reizweiterleitung ans Gehirn über viele Zwischenstationen, Auswertung und angepasste Reaktion). Die Anmerkungen der Autoren und Kommentatoren zur Evolution erscheinen aufgesetzt und ohne empirische Grundlage. Wie so oft werden notwendige Voraussetzungen irrtümlich als Erklärungen ausgegeben, etwa wenn gesagt wird, der Tastsinn habe eine Schlüsselrolle bei der Evolution des aktiven Flugs gespielt. In Wirklichkeit wissen wir nur, dass diese Sinnesleistungen notwendige Voraussetzungen fürs Fliegen sind; zum Verständnis der mutmaßlichen Evolution tragen die neuen Untersuchungen nichts bei, außer dass der Erklärungsbedarf für evolutionäre Hypothesen weiter steigt bzw. sich vergrößert. Dagegen liefern die neuen Befunde weitere gewichtige Indizien für einen Schöpfer und legen ein Verständnis der Natur nahe, das von einem komplexen Ausgangszustand ausgeht. Es ist daher kein Zufall, dass man sich einmal mehr – auch in diesem Fall der Flugsteuerung bei Fledermäusen – erhofft, aus dem lebendigen Vorbild Ideen zu gewinnen, wie die Fähigkeiten von Lebewesen technisch nachgeahmt werden können.


Literatur

Junker R (2011)
Der Ursprung der Fledermäuse. Teil 1: Fossilien und der Flugapparat. Stud. Integr. J. 18, 17-25.
Marshall KL, Chadha M, deSouza LA, Sterbing-D’Angelo SJ, Moss CF & Lumpkin EA (2015)
Somatosensory substrates of flight control in bats. Cell Reports, published online April 30, 2015; doi: 10.1016/j.celrep.2015.04.001.
Sears KE (2008)
Molecular Determinants of Bat Wing. Cells Tissues Organs 187, 6-12.
Sears KE, Behringer RR, Rasweiler JJ & Niswander LA (2006)
Development of bat flight: Morphologic and molecular evolution of bat wing digits. Proc. Natl. Acad. Sci. 102, 6581-6586.
Weatherbee SD, Behringer RR, Rasweiler JJ & Niswander LA (2006)
Interdigital webbing retention in bat wings illustrates genetic changes underlying amniote limb diversification. Proc. Natl. Acad. Sci. 103, 15103-15107.
Film: www.youtube.com/watch?v=d9m-ERCYAqI


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