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Neuer Fund aus König Hiskias Palastarchiv in Jerusalem

von Andreas Späth & Peter van der Veen

Studium Integrale Journal
23. Jahrgang / Heft 1 - Mai 2016
Seite 23 - 28


Zusammenfassung: Eine bereits vor einigen Jahren entdeckte aus Ton gefertigte Bulle erweist sich nach erneuter Reinigung und Untersuchung als ausgesprochene Kostbarkeit: Beim Siegelinhaber handelt es sich um den biblischen König Hiskia (726-697 v. Chr.). Die Tonbulle ist von besonderer Bedeutung, weil sie in einer kontrollierten Ausgrabung gefunden wurde. Verschiedene Aspekte des Siegelfundes werden erläutert und eine knappe vorläufige Deutung der dargestellten Bildmotive im Licht weiterer archäologischer Funde präsentiert.




Eine kleine Sensation

Ende 2015 wurde eine kleine archäologische Sensation veröffentlicht. Unter der Leitung von Eilat Mazar1 hatte das Archäologische Institut der Hebräischen Universität von Jerusalem die Ausgrabungen am südlichen Tempelberg Jerusalems (Ophel) während der Jahre 2009 bis 2013 durchgeführt. Unter den zahlreichen Funden, die man am Fuße der Südmauer des Tempelberges ausgrub, befand sich auch ein Siegelabdruck (Tonbulle, vgl. Abb. 2), der sich ohne jeden Zweifel einem König aus der Bibel zuordnen ließ: König Hiskia (726-697 v.Chr.). Das königliche Siegel war in einen Klumpen Ton gepresst worden, den man auf die Verschlusskordel einer Papyrusrolle gedrückt hatte. Die Rückseite zeigt deutlich die Spuren der Papyrusfasern und der Schnur. Solche Siegelabdrücke bezeichnet man als Tonbullen.

Der Siegeltyp an sich war bereits seit mehreren Jahren bekannt. Schon 2002 und 2003 (bzw. 2011) hatte Robert Deutsch eine Reihe von Siegelabdrücken publiziert, die eine Hiskia-Inschrift trugen. Zwei davon waren identisch mit dem jetzt gefundenen. Die von Deutsch publizierten Abdrücke hatten allerdings – wie alle bisher gefundenen Königsbullen – einen Makel. Sie stammten vom Antikenmarkt. Die nun publizierte Tonbulle ist – sowohl in Bezug auf das Nordreich als auch auf das Südreich – der erste Abdruck eines Königssiegels, der aus einer kontrollierten archäologischen Ausgrabung stammt. Obwohl der Stil der bildlichen Motive (Ikonographie) und die Form der Buchstaben (Paläographie) der bereits bekannten Stücke (deren Herkunft also nicht gesichert war) mithilfe von zur Verfügung stehendem Vergleichsmaterial ziemlich genau auf die Zeit am Ende des 8. vorchristlichen Jahrhunderts datiert werden konnten, wurde ihre Echtheit erst jetzt eindeutig mithilfe der ausgegrabenen Tonbulle bestätigt.

Abb. 1: Südlicher Tempelberg mit dem Ophel. (Bild: Andrew Shiva, CC BY-SA 3.0)

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Der Fundort
Abb. 2: Hiskia-Tonbulle mit geflügelter Sonne vom Ophel. (Bild: O. Tadmor; mit freundlicher Genehmigung von Dr. Eilat Mazar)

Die Tonbulle wurde am unteren Rand des Ophel, ca. 90 m von der südlichen Tempelbergmauer, kurz vor der heutigen Zufahrtsstraße zum Tempelberg, gefunden (vgl. Ellipse auf dem Luftbild, Abb. 1).

Abb. 3: Vorratsraum im königlichen Gebäude mit Vorratskrügen. (Bild: P. van der Veen)

Das Fundareal selbst, gerade einmal 5 x 6 m groß, war bereits mehrfach in Grabungskampagnen einbezogen, so 1867 (Charles Warren), 1967 (Kathleen M. Kenyon), 1976 (Benjamin Mazar) und 1994 (Eilat Mazar). Allerdings drang keine dieser Grabungen bis zum Felsgrund vor. In den Schichten der 2009 gestarteten Ausgrabung befand sich in der Königszeit eine Müllhalde, direkt unterhalb der Vorratsräume eines königlichen Gebäudes, das bereits 1986/87 von Benjamin Mazar und seiner Enkelin Eilat Mazar bei einer Grabung entdeckt worden war (vgl. Abb. 3 und 4). Die Vorratsräume wurden, so legen es ein Inschriftenfund auf einem riesigen Vorratsgefäß und weitere Indizien nahe, wohl vom Hofbäcker genutzt. Auch die anderen Vorratsgefäße und deren früherer Inhalt (Dattelhonig, Öl, Wein) sowie weitere Tonbullen, etwa mit Abdrücken von Stoff auf der Rückseite, könnten auf die Vorratsräume des Hofbäckers oder eines anderen hochplatzierten Beamten im späten 8. oder frühen 7. Jahrhundert hinweisen. Es wird nämlich angenommen, dass die Tonbullen zur Versiegelung von Vorratssäcken oder königlichen Steuerzahlungen gedient haben könnten. Es stellte sich heraus, dass die müllführenden Strata durch Abfall entstanden waren, der vom königlichen Gebäude herabgeworfen worden war. Da das Erdgeschoss fensterlos war, muss der Müll aus dem ersten oder zweiten Stockwerk gekommen sein.

Unter den zahlreichen Funden am Fuße der Südmauer des Tempelberges befand sich auch ein Siegelabdruck, der sich ohne jeden Zweifel König Hiskia aus der Bibel zuordnen ließ.

Die Bulle selbst verdankt ihre Entdeckung wohl nicht zuletzt der erst seit kürzerer Zeit in der Archäologie zunehmend eingesetzten Methode des „wet-sieving“, wobei beim Durchsieben der Kleinfunde der Dreck mit einem Wasserschlauch vorsichtig abgespült wird. Früher wurden vermutlich viele Siegelabdrücke nicht als solche erkannt und zusammen mit anderen Erdklumpen nach der Aussiebung als Abraum entsorgt. Erst seit der Schutt so sorgfältig abgespült wird, kommen sehr viele Siegel- und Kleinfunde ans Licht, während sie auf einmal auf dem Antikenmarkt weitgehend fehlen. Durch diese Methode werden nun endlich auch die allerkleinsten Artefakte wie winzige Münzen, Perlen, Amulette und eben nur zentimetergroße Tonbullen erfasst. So wurden allein auf dem früheren Abfallhaufen neben dem Hiskia-Abdruck 33 weitere Tonbullen2 und zwei Siegel entdeckt.

Die israelische Archäologin Eilat Mazar hat vor wenigen Jahren in der Nähe des Tempelberges in Jerusalem einen Siegelabdruck ausgegraben, dessen Brisanz damals noch nicht abzuschätzen war. Als die aus Ton gefertigte Bulle 2015 erneut gesäubert wurde, war auf Anhieb klar, dass es sich bei dem Siegelinhaber um den biblischen König Hiskia (726-697 v. Chr.) handelte. Zwar waren auf dem Antikenmarkt immer wieder Siegelabdrücke desselben Königs aufgetaucht, aber noch nie war bisher ein königliches Siegel in einer kontrollierten Ausgrabung zutage gefördert worden. Die Tonbulle zeichnet den König („Hiskia, den Sohn des Ahas“) als Monarchen des Königreichs Juda aus. Auf dem Siegel werden zudem eine Sonnenscheibe und eine ägyptische Hieroglyphe dargestellt.

Die folgenden Aspekte des Siegelfundes werden in diesem Artikel andiskutiert:

Die Inschrift: Nicht nur der Stil der Buchstaben, sondern auch die Personennamen des Königs und dessen Vaters als auch des Gebietes, über das sie regierten, lassen keinen Zweifel an der Gleichsetzung mit dem biblischen König.

Die Ikonographie: Die verwendeten Bildmotive schließen eng an bei den Bildmotiven, die sonst auch auf Siegeln aus der Zeit Hiskias und dessen judäischer Zeitgenossen vorkommen. Besonders hervorgehoben werden hier die Flügelsonne und das ägyptische Lebenszeichen oder canch-Symbol.

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Die Tonbulle
Abb. 4: Müllhalde zwischen dem königlichen Gebäude und der Stadtmauer. (Bild: P. van der Veen)

Die Bulle besteht aus rot-braunem terra-rosa-Ton und weist nur geringe Korruptionen auf. Allerdings ist sie am linken Rand nicht ganz sauber abgedrückt. Die Dicke variiert von 2-4 Millimetern, die Maße betragen 13 x 12 mm (vgl. Abb. 2).

Sie zeigt eines von drei Hiskia zugeschriebenen typischen Bildmotiven, nämlich die zweiflügelige Sonnenscheibe. Auf anderen Siegeln des Monarchen wird als weiteres Motiv ein ägyptischer Käfer (Skarabäus) dargestellt. Auf königlichen Vorratsgefäßen aus dieser Zeit werden zudem Flügelsonnen und Skarabäen mit vier Flügeln dargestellt.

Die bisher entdeckten Hiskia-Bullen werden auf drei verschiedene Siegel zurückgeführt. Der erste Typus zeigt einen Skarabäus mit nach oben geschwungenen Flügeln und eine Dungkugel zwischen den Vorderbeinen haltend (vgl. Abb. 5). Er trägt die Aufschrift „gehört Hiskia [dem Sohn des] Ahas König von Juda“. Der zweite Typus ist nahezu identisch. Der einzige Unterschied ist eine feine zusätzliche Linie auf den Flügeln des Skarabäus.

Das auf dem Ophel gefundene Exemplar ist identisch mit zwei weiteren Abdrücken eines dritten Typus (vgl. Abb. 6). Auf diesem ist eine Sonnenscheibe mit nach unten zeigenden Flügeln und jeweils drei nach oben und nach unten zeigenden Strahlen3 sowie je einem hieroglyphischen canch-Zeichen (Henkelkreuz) an den Enden der Längsachse zu sehen. Das linke Henkelkreuz ist ebenso wie der darüber stehende Buchstabe auf dem Ophel-Exemplar nur teilweise vorhanden, aber mit dem von Robert Deutsch publizierten, an dieser Stelle intakten Exemplar eindeutig rekonstruierbar. Interessant ist auch zu erwähnen, dass diese Form der Flügelsonne in Juda bereits unter König Ussija/Asarja (erste Hälfte des 8. Jahrhunderts) bekannt war. Auf einem Siegel (unbekannter Herkunft) eines nicht näher bekannten Beamten namens Schebanjo cebed Usijo (d.h. „Schebanja(h)u, Minister des (Königs) Ussija(h)u“4), das im Louvre-Museum in Paris ausgestellt ist, befindet sich am oberen Rand genau dieselbe Form der Flügelsonne (vgl. Abb. 7).

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Die Inschrift

Die Inschrift lautet, wie bei den beiden anderen Siegeltypen: „gehört dem Hiskia [dem Sohn des] Ahas, König von Juda.“

Damit bezeugt die Bulle drei aus der Bibel5 bekannte Fakten:

Abb. 5-7: (links) Hiskia-Tonbulle mit Skarabäus und ziselierten Flügeln. (Bild: R. Wiskin; mit freundlicher Genehmigung des unlängst verstorbenen Dr. Shlomo Moussaieff
(Mitte) Hiskia-Tonbulle mit geflügelter Sonne vom Antikenmarkt. (Bild: R. Deutsch; mit freundlicher Genehmigung von Josef Chaim Kaufman)
(rechts) Abdruck des Siegels des Schebanjau, Minister des Königs Ussija. (Nach Avigad/Sass 1997, Nr. 3, mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Benjamin Sass)
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Die Ikonographie

Neben dem eindeutigen Informationsgehalt der Buchstaben vermittelt auch das Bildmotiv eine Botschaft. Hier ist zunächst einmal die Beobachtung interessant, dass Hiskia auf verschiedenen Siegeln (und auf den Krughenkeln der oben genannten Vorratsgefäße) verschiedene Symbole und „Wappentiere“ verwendet.

Betrachtet man die Siegelabdrücke aus der Zeit Hiskias, sei es auf Tonbullen oder Krughenkeln (der königlichen Vorratskrüge), so entdeckt man einige bemerkenswerte Indizien. Zunächst ist eine Ähnlichkeit, wenn nicht Parallele der verwendeten Bildmotive auf den administrativen Siegeln und den persönlichen Siegeln des Königs hervorzuheben.

Der Skarabäus, der auf einer der Tonbullentypen zu sehen ist (vgl. Abb. 5), findet sich auf manchen Vorratskrügen wieder. Dasselbe gilt für die geflügelte Sonnenscheibe auf der Tonbulle vom Ophel. Denn auch auf den Vorratskrügen des Königs ist er in unterschiedlichen Formen belegt.6 Während die Ähnlichkeit zwischen den unterschiedlichen Bildmotiven wahrscheinlich bewusst gewählt wurde, gibt es auch nennenswerte Unterschiede. Denn während der Skarabäus auf den königlichen Tonbullen nur mit zwei Flügeln ausgestattet ist, besitzt er auf den königlichen Krughenkeln vier Flügel (vgl. Abb. 8). Die vierflügelige Variante ist auch als Königsemblem während der 25. Dynastie in Ägypten belegt7, mit deren nubischen Pharaonen sich Hiskia gegen Assyrien verschworen hatte. Interessant sind vor allem auch die Unterschiede bei den zweiflügeligen Sonnenscheiben. Während die auf den Tonbullen dargestellte ägyptisierende Form auch auf dem oben bereits erwähnten Amtssiegel aus der Zeit des Königs Ussija von Juda zu finden ist, entspricht die Form der geflügelten Sonne auf den Vorratskrügen wohl eher der des neuassyrischen Sonnengottes Schamasch (vgl. Abb. 9). Diese Feststellung dürfte auch von chronologischer Bedeutung sein. Während die Vorratskrüge mit dem Skarabäusmotiv vor allem während der Regierung von Hiskia produziert wurden (wie z. B. Ausgrabungen in Lachisch belegen8), dürften die Krüge mit dem Sonnensymbol hauptsächlich aus der Regierungszeit seines Sohnes Manasse (696-642 v. Chr.) stammen, der – wie in den assyrischen Annalen von Esarhaddon und Assurbanipal belegt ist (Pritchard 1969, 291, 294) – während fast seiner ganzen Amtszeit ein Vasall der Assyrer blieb. Denn neuere Studien legen nahe, dass dieser Krugtypus bis ins späte 7. Jh. v. Chr. in den judäischen Töpferwerkstätten hergestellt wurde (vgl. dazu bereits van der Veen 2007; van der Veen in Vorbereitung).

Abb. 8-9: Lammelek-Krughenkel mit vierflügeligem Skarabäus. (Bild: P. van der Veen)
(rechts) Lammelek-Krughenkel mit geflügelter Sonnenscheibe. (Bild: P. van der Veen)

Wie dem auch sei, Hiskia und Manasse legten offenbar großen Wert auf (Wieder)Erkennbarkeit von Bildmotiven. Denn wie die Tonbullen Hiskias nun nahelegen, wurden ähnliche Symbole auf persönlichen Siegeln wie auf den Krügen aus dem eher administrativen Bereich verwendet. Mitunter sind die Krughenkel mit der Phrase lammelek (hebr. für „Gehört dem König“ bzw. „für den König“) gekennzeichnet. Zudem befindet sich auf den Krughenkeln in den meisten Fällen noch eine Ortsangabe. So finden wir auf den verschiedenen Stempelvarianten die Ortsangaben Hebron, Socho, Sif und Mamschit. Die genaue Bedeutung dieser Angaben ist jedoch umstritten. Manche Wissenschaftler vermuten, dass es sich bei den Krügen und ihren Inhalten um Steuerzahlungen an den König (oder an den Oberherrn in Ägypten oder Assyrien) handeln könnte. Wieder andere Gelehrte haben vorgeschlagen, dass es sich um Nahrungsverteilungen für die königlichen Truppen handeln könnte, die an den genannten Orten stationiert waren.

Hiskia und Manasse legten offenbar großen Wert auf (Wieder)Erkennbarkeit von Bildmotiven. Denn die Tonbullen Hiskias legen nahe, dass ähnliche Symbole auf persönlichen Siegeln wie auf den Krügen verwendet wurden.

Das königliche Siegel könnte von Hiskia selbst für seine persönliche Korrespondenz verwendet worden sein oder eben von nur wenigen Ministern, die stellvertretend in seinem Namen seine Korrespondenz „unterzeichnen“ durften. Ein interessantes Beispiel für einen solchen Gebrauch (oder vielleicht auch Missbrauch) lesen wir in 1 Könige 21,8. Hier findet sich der Hinweis darauf, dass Königin Isebel das Siegel Ahabs für ihre tödliche Intrige gegen Naboth benutzte. „Und sie schrieb Briefe im Namen Ahabs und siegelte sie mit seinem Siegel …“

Das Siegel der Ophel-Tonbulle trägt noch ein zusätzliches Bildzeichen, das ägyptische Henkelkreuz, die ägyptische Hieroglyphe für „Leben“. Dieses Zeichen war jedoch bereits im 8. Jh. v. Chr. so weit verbreitet, dass es auch weit über die Grenzen Ägyptens hinaus im syrisch-palästinischen und sogar mesopotamischen Kulturraum auf Siegeln vorkommt. Inwieweit dessen ursprüngliche Bedeutung in Juda also noch geläufig war (wiederum als Zeichen des Bündnisses mit Ägypten?) oder ob es eher nur als Platzhalter verwendet wurde, muss vorerst offen bleiben.

Natürlich drängt sich die Frage auf, warum ausgerechnet der Jahwe-fromme Hiskia heidnische Symbole verwendet haben soll. Da allerdings die exakte Bedeutung dieser Zeichen im Rahmen der judäischen Amts- und Königsiegel bislang ungeklärt bleibt, muss auch die Antwort vorläufig bleiben. Robert Deutsch weist darauf hin, dass der Skarabäus ein seit Jahrhunderten in der Levante verbreitetes Bildmotiv war, das seine religiöse Bedeutung außerhalb Ägyptens schon lange verloren hatte und für nichtägyptische Augen ein reiner Ausdruck weltlicher Macht und Herrschaft war. Tatsächlich kommt das Zeichen später auch auf phönizischen und aramäischen Siegeln des 8. Jhs. vor und ist auch beim Nachbarvolk der Ammoniter im 7. und frühen 6. Jh. gut belegt (u. a. auf der Tonbulle des Milkom’ur, dem Minister des (aus der Bibel bekannten) Königs Bacalis (< Bacaljischca)). Dennoch scheint sowohl im Nordreich Israel als auch im Südreich Juda das Interesse an Ägypten (das politisch als „geknicktes Rohr“ im 8. Jh. v. Chr. innenpolitisch stark an Macht eingebüßt hatte) nicht nachgelassen zu haben. So schickte König Hoschea von Israel 726 v. Chr. Boten zum Pharao So/Osorkon III. von Tanis (2 Könige 17,4), während Hiskia sich 701 v. Chr. mit Pharao Schebitqu und dessen Neffen, dem Prinzen Tirhaka von Kusch, verbündete (2 Könige 18, 21; 19, 8-9). Somit könnten der Skarabäus und die Sonnenscheibe primär als reine Machtsymbole dieser Bündnisse zu verstehen sein (2 Könige 18,14-16; 2 Chronik 33,11). Mit einer religiösen Präferenz für ausländische Bildmotive muss dies also nichts zu tun gehabt haben.

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Schlussfolgerung

Wie so oft in der Biblischen Archäologie wirft auch dieses Stück vorerst mehrere Fragen auf. Wichtig ist aber erst einmal die Entdeckung an sich und die Tatsache, dass die Tonbulle mit dem persönlichen Siegel des Königs Hiskia aus Jerusalem zum ersten Mal in einer kontrollierten Grabung entdeckt wurde. Einen Abdruck des Siegels eines Monarchen, dessen Frömmigkeit vom biblischen Autor hervorgehoben wird (2 Könige 18,3-4), und der zum bekannten Propheten Jesaja eine besondere Beziehung unterhielt, liegt uns nun vor. Das Stück (wie auch die bereits von Robert Deutsch veröffentlichten Stücke) bestätigt einmal mehr die Historizität einer aus der Bibel bekannten Persönlichkeit.9

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Anmerkungen

1 „Mit der Ausgrabung am Tempelberg führte sie eine Familientradition fort. Ihr Großvater war der bekannte Leiter der Ausgrabungen am Tempelberg und am Ophel von 1968-1978 und frühere Präsident der Hebräischen Universität von Jerusalem, Benjamin Mazar (1906-1995).

2 Von diesen 33 Abdrücken tragen immerhin 23 althebräische Schriftzeichen aus der Zeit von vor der Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier 587 v. Chr.

3 Die von Eilat Mazar vorgeschlagene Deutung der Strahlen als Hörner ist aufgrund des Vergleichsmaterials aus Mesopotamien und der Levante abzulehnen. Es handelt sich um eine antennenartige Anfügung („Appendage“), die nach oben verlaufende Sonnenstrahlen repräsentieren (vgl. dazu Collon 2001, 81-82).

4 Vgl. Avigad/Sass 1997, Nr. 3.

5 Vgl. 2. Könige 16,20.

6 Zu den verschiedenen Varianten vgl. Welten (1969); Grena (2004).

7 Die vierflügelige Variante war in Ägypten bis dahin aber unbekannt gewesen und stellte also auch für Ägypten ein Novum dar.

8 Lachisch Stratum III wurde 701 v. Chr. von den Assyrern unter König Sanherib zerstört. Fast alle gestempelten Krughenkel aus Lachisch III besitzen das Skarabäusmotiv. Krughenkel aus der Neustadt auf dem Westhügel in Jerusalem, der vor allem erst ab 701 v. Chr. von Flüchtlingen aus der Schephela-Gegend besiedelt wurde, besitzen fast alle die geflügelte Sonnenscheibe. Für eine detaillierte Besprechung der chronologischen Verbreitung der königlichen Krughenkel vgl. van der Veen (in Vorbereitung).

9 Zu weiteren archäologischen Belegen für aus der Bibel bekannte Personen vgl. van der Veen (2014); Mykytiuk (2004).

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Literatur

Avigad, N. / Sass. B.,
Corpus of West Semitic Stamp Seals, Israel Exploration Society u. a., Jerusalem, 1997.
Collon, D.,
Catalogue of the Western Asiatic Seals in the British Museum: Cylinder Seals V – Neo-Assyrian and Neo-Babylonian Periods, The British Museum Press, London, 2001.
Deutsch, R.
Lasting Impressions: New bullae reveal Egyptian-style emblems on Judah’s royal seals, in: Biblical Archaeological Review (BAR), 28. Jahrgang, Heft 4, Juli/Aug. 2002, S.42-51 u. 60.
Deutsch, R.,
Biblical Period Hebrew Bullae - The Josef Chaim Kaufman Collection, Volume 1, Archaeological Center Publication, Tel Aviv, 2003.
Deutsch, R.,
Biblical Period Epigraphy – The Josef Chaim Kaufman Collection: Seals, Bullae, Handles, Volume 2, Archaeological Center Publications, Tel Aviv, 2011.
Deutsch, R., van der Veen, P.,
Sehend in die Katastrophe, Spektrum Spezial 4/15, 2015, S. 74-75.
Grena, G. M.,
Lmlk: A Mystery Belonging to the King, Volume 1, 4000 Years of Writing History, Redondo Beach CA, 2004.
Mazar, E.,
The Ophel Excavations to the South of the Tem­ple Mount 2009-2013. Final Reports Volume I, Shoham Academic Publications, Jerusalem 2015.
Mykytiuk, L. J.,
Identifying Biblical Persons in Northwest Semitic Inscriptions of 1200-539 B.C.E., Society of Biblical Literature, Atlanta, 2004.
Pritchard, J. (Hrsg.),
Ancient Near Eastern Texts Relating to the Old Testament, Princeton University Press, Princeton, 1969.
van der Veen, P. G.,
Inschriften datieren die Eisenzeit, in: Studium Integrale Journal 14:1, 2007, 10-18.
van der Veen, P. G.,
The Final Phase of Iron Age II in Judah, Ammon, and Edom: a study of provenanced official seals and bullae as chronological markers, Alter Orient und Altes Testament 415, Ugarit Verlag, Münster, 2014.
van der Veen, P. G.
in Vorbereitung, Dating the Iron Age IIB Archaeological Horizon in Israel and Judah.
van der Veen, P., Deutsch, R.,
The Bulla of ‘Amaryahu Son of the King, the Ancestor of the Prophet Zephaniah?, Transeuphratène 46, 2014, 121-132.
Welten, P.,
Die Königsstempel, Abhandlungen des Deutschen Palästinavereins, Otto Harrassowitz, Wiesbaden, 1969.
Zerbst, U.,
Bleibende Eindrücke, in: Studium Integrale Journal 9:2, 2002, 94-95.


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