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König Hiskia in einer neuen Inschrift aus Jerusalem?

von Peter van der Veen

Studium Integrale Journal
16. Jahrgang / Heft 1 - Mai 2009
Seite 51 - 52


Zusammenfassung: Bisher fehlten direkte Hinweise auf biblische Könige in Bauinschriften aus Jerusalem. Dies dürfte sich jetzt mit der Entdeckung einer Lapidar-Inschrift geändert haben.


Von einer möglicherweise bedeutsamen Entdeckung in Bezug auf die archäologische Glaubwürdigkeit alttestamentlicher Schriften berichtet Hershel Shanks in der amerikanischen Zeitschrift „Biblical Archaeology Review“. Er beschreibt die Entdeckung einer neuen Lapidar-Inschrift (eine in Stein gemeißelte Inschrift) aus den Grabungen von Ronny Reich und Eli Shukron in der Davidstadt/ Jerusalem (Shanks 2009). Sie wurde vor kurzem in einer antiken Füllschicht unweit der Gihonquelle inmitten von Keramik aus dem späten 8. Jh. v. Chr. entdeckt (diese Keramik wurde auch noch im frühen 7. Jh. verwendet).

Kein anderer König in dieser Zeit
besaß einen Namen mit q+yh[w],
so dass Hiskia der einzige echte
Kandidat ist.

Die Inschrift ist sehr fragmentarisch erhalten. Eigentlich sind nur drei Buchstaben in der oberen Zeile und drei Buchstaben, mit einem Worttrenner dazwischen, in der unteren Zeile zu sehen. Der Autor schlägt für die so fragmentarische Inschrift eine vielleicht etwas gewagte Rekonstruktion vor. Er liest: … qyh // kh . b = „[hz]qyh[w] // [br]kh“ = „[His]kia // Teich . b…“. Mit anderen Worten, die Inschrift würde einen Teil des Personennamens von König Hiskia erwähnen, der von 726-697 v. Chr. in Jerusalem regierte. Hiskia war auch der Bauherr eines langen Wassertunnels, der von der Gihonquelle aus bis zur Südspitze der Stadt zum Wasserteich verlief. Heute noch kann man durch den Tunnel nassen Fußes hindurch gehen, was auch viele Jerusalembesucher tun. Eine echte Attraktion für viele! Bereits 1880 entdeckten Schüler an Ort und Stelle eine viel längere Inschrift, die kurz darauf nach Istanbul gelangte (damals wurde Palästina noch von den Ottomanen regiert); sie befindet sich noch heute im Istanbul-Museum. Diese längere Inschrift berichtet vom Bau des Tunnels und wie es den Steinhauern gelang, von zwei Seiten kommend den Durchbruch zu ermöglichen. Für die damalige Zeit war das eine echte architektonische Meisterleistung.

Abb. 1: Lapidarinschrift aus Jerusalem. (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. R. Reich)

Die neue Steininschrift (und solche Inschriften sind sehr selten – nicht nur in Jerusalem, sondern auch in ganz Israel!) wurde bei der Gihonquelle, also im Anfangsbereich der Tunnelanlage, gefunden. Könnte die „neue“ Inschrift etwas mit dem Bau des Tunnels und mit seinem königlichen Bauherr Hiskia zu tun haben? Obwohl Shanks in seinem Artikel nichts Näheres über den Schriftstil der Buchstaben aussagt und auch die Ausgräber (Ronny Reich und Eli Shukron in einem bereits Ende 2008 erschienenen Artikel, s. Reich & Shukron 2008) es nicht gewagt haben, sich für einen bestimmten Personennamen im Text zu entscheiden, würde ich hier mutig einen Schritt weitergehen wollen.

Tatsächlich deutet der Schriftstil (die Paläographie) auf die Zeit gegen Ende des 8. Jhs. v. Chr. hin. Noch besitzen die zwei hebräischen Buchstaben „he“ (Zeile 1 und 2) drei ziemlich gerade horizontale Querbalken, während sie 100 Jahre später viel gekrümmter und „eingequetschter“ dargestellt werden. Die Schrift ist auch weniger elegant und geschwungen als die 1880 entdeckte Siloam-Inschrift. Es kann also sogar sein, dass die Siloam-Inschrift etwas später zu datieren ist, etwa gegen Ende der Regierung Hiskias, kurz nach 700 v. Chr. oder während der Regierung seines Sohnes Manasse (697-642 v. Chr.). Zu Recht haben auch andere Epigraphiker behauptet, dass die Schrift der Inschrift etwas später als 700 v. Chr. zu datieren ist, d. h. nach der Fertigstellung des Tunnels, was die Inschrift uns ja auch erzählt (u.a. Vaughn 1999). Dass es in Zeile 1 um einen Personennamen geht, erscheint eindeutig. Die letzten zwei Buchstaben (die eng aneinander gepresst wurden), sind die ersten Buchstaben des Gottesnamens yh[w] = „Jahwe“, wie sie als Teil des Gotteselements im Personennamen oft in der damaligen Zeit geschrieben wurden.

Die Buchstaben wie auch die Keramik, die in unmittelbarer Nähe in der Schuttschicht gefunden wurde, deuten demnach beide auf die Zeit um 700 v. Chr. hin, also auf die Zeit, als Jerusalem tatsächlich von Hiskia regiert wurde. Auch wenn nicht alle Lapidarinschriften unbedingt auch königliche Inschriften sein müssen (es gibt z.B. auch Grabinschriften, die an den Wänden von Grabkammern eingeritzt wurden), dürfte das ebenfalls fragmentarische Wort in Zeile 2 tatsächlich für [br]kh = „Teich“ stehen. Sollte das tatsächlich der Fall sein, so wäre die Verbindung mit dem Wassertunnel (der ja bis zum Teich hinunterführte) tatsächlich hergestellt. Der Auftraggeber dieses Wasserwerks war kein anderer als König Hiskia und wie wir auch aus anderen antiken Inschriften aus benachbarten Gebieten wissen, rühmten sich die Könige ihrer Werke in eben solchen Monumentalinschriften.

Kein anderer König in dieser Zeit besaß einen Namen mit q + yh[w], so dass Hiskia eigentlich der einzige echte Kandidat ist, der hier in Frage kommt, vorausgesetzt es handelt sich im Text tatsächlich um einen König (aber das ist – wie bereits betont wurde – ja eher nahe liegend). Erst mehr als hundert Jahre später gab es einen weiteren König, dessen Namen hier ebenfalls gelesen werden könnte, nämlich tsdqyhw = Zedekia. Aber zu seiner Zeit hätte man die Buchstaben der Inschrift stilistisch wohl anders geschrieben.

Könnte es also sein, dass wir hier den Namen des Königs Hiskia vorfinden? Ich halte das aus verschiedenen Gründen für wahrscheinlich, auch wenn man dies natürlich nie mit 100%iger Sicherheit sagen werden kann, außer man würde noch weitere Teile derselben Inschrift entdecken.

Eine solche Entdeckung ist bisher einmalig. Außer in ausländischen Inschriften (König David in einer aramäischen Inschrift und weitere Könige Israels in assyrischen Inschriften) gab es bisher keine Bauinschriften aus einer legalen Ausgrabung, worin Personennamen von israelitischen und judäischen Königen vorkamen. Das heißt, man kann mit Sicherheit sagen, dass es sich hier um eine authentische Inschrift handelt! Königsnamen kamen zwar sporadisch auf Siegeln und Tonbullen vor, aber nie in den wenigen uns bekannten Bau- bzw. Monumentalinschriften. Die Archäologie ist also weiterhin gut für Überraschungen.


Literatur

Reich R & Shukron E (2008)
A Fragmentary Palaeo-Hebrew Inscription from the City of David, Jerusalem. Israel Exploration Journal, 48-50.
Shanks H (2009)
A Tiny Piece of the Puzzle. Bibl. Arch. Rev. 35:2, 52-55.
Vaughn AG (1999)
Palaeographic Dating of Judaean Seals and Its Significance for Biblical Research, Bulletin of the American Society of Oriental Research 313, 43-64 (v. a. S. 58-59).
Link für die Inschrift: www.bib-arch.org/bar/article.asp?PubID=BSBA&Volume=35&Issue=2&ArticleID=10

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