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Insekten (Hexapoda) bilden gemessen an der Anzahl ihrer Arten die weitaus vielfältigste Tiergruppe, und ökologisch beherrschen sie die Landlebensräume. Der Ursprung dieser immensen Formenvielfalt ist jedoch unklar. Fossilien geben darüber kaum Auskunft. Aus dem berühmten unterdevonischen Rhynie-Chert (Schottland, bei Aberdeen gelegen), das für hervorragend erhaltene Funde früher Landpflanzen bekannt ist, stammt der Springschwanz Rhyniella praecursor, der lange als ältester Hexapode galt. Er gehört zur Insekten-Unterklasse der Entognatha (Sackkiefer). Von der weitaus größeren Unterklasse der Ectognatha (Insekten mit freien Mandibeln und ersten Maxillen) entstammten bislang die ältesten Funde aus dem jüngeren Devon Nordamerikas. Nun beschreiben Engel & Grimaldi (2004) fossile Reste eines neuen Fundes aus dem Rhynie-Chert: Rhyniognatha birsti erweist sich nicht nur als ältestes ectognathes Insekt, sondern als relativ abgeleitet („höherentwickelt“) innerhalb der basalen Ectognathen. Die Autoren vermuten daher, daß Insektenflügel früher als bisher gedacht entstanden sind. Insekten sollte es demnach bereits im Silur gegeben haben; sie würden daher zur ältesten Landfauna gehören. Dieses Beispiel reiht sich in weitere ähnliche Fälle ein, wonach die ältesten fossil überlieferten Formen einer Tiergruppe nicht als die primitivsten eingestuft werden (vgl. Stud. Int. J. 10, 90 über den Ginkgo-Baum; Stud. Int. J. 10, 30-32 über Schildkröten; Stud. Int. J. 6, 44 über Einkeimblättler. Es sei auch auf die Problematik der Einstufung in „primitiv“ und „abgeleitet“ hingewiesen.)
[Engel MS & Grimaldi DA (2004) New light shed on the oldest insect. Nature 427, 627-630.]
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Wer kennt sie nicht die „Knöpfe“ mit den 8 langen dünnen Beinen: die zu den Spinnentieren gehörenden Weberknechte (Opiliones). Fossilien dieser skurrilen Tiere wurden kürzlich in Felsformationen beim schottischen Rhynie (zu Rhynie vgl. vorigen Beitrag) entdeckt. Dabei sind auch die Geschlechtsorgane der Männchen und Weibchen erhalten geblieben; sie sind denen heutiger Weberknechte sehr ähnlich. Auch das Atmungssystem ist fossil erhalten; es ist das älteste fossil überlieferte Atmungssystem von Spinnentieren und gleicht ebenfalls dem heutiger Formen (Edwards 2003). Daher können die Weberknechte als lebende Fossilien gelten.
[Dunlap J (2003) Sexual organs with real staying power. New Scientist 20. 9. 03]
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Abb.1: Diatomee Navicula cryptotenella. (Foto: Anita Günther) |
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Die Welt der Lebewesen ist voller seltsamer, ausgefallener Formen und Konstruktionen. Dem unbefangenen Betrachter drängt sich nicht selten der Eindruck auf, eine Spielerei vor sich zu haben. Man denke nur etwa an ausgefallene Körperformen wie beim Seepferdchen oder beim Fetzenfisch. Für den Evolutionsbiologen stellt sich die etwas nüchternere Frage nach den Selektionsdrücken, die eine Voraussetzung für eine evolutive Entstehung ungewöhnlicher Formen sind. Was ist die Triebfeder für das Ausgefallene?
Diese Frage wirft Christian Hamm in einem Beitrag über die Schalen der Kieselalgen (Diatomeen) auf. Kieselalgen besitzen komplexe, meist sehr ästhetische Schalen aus Silikat (vgl. Abb. 1). Stecken hinter den unterschiedlichsten Formen der Gehäuse auch entsprechend verschiedene Funktionen? Erstaunlicherweise verneinte ausgerechnet der vehemente Darwinismus-Verfechter Ernst Haeckel gerade dies. Neue Untersuchungen im Zusammenhang mit den Freßfeinden der Diatomeen zeigen aber, daß die Silikatgehäuse in ihrer Kombination von Material und Struktur eine erhebliche Stabilität aufweisen und somit eine effektiven Fraßschutz bieten. Vereinfachungen in der Schalengeometrie führen zu einer deutlich geringen Festigkeit. Dennoch bleibt die Frage, welche Ursache die immense Vielfalt der Formen ermöglichte. Weshalb gibt es nicht nur einige wenige zweckmäßige Standardgehäuse? Davon abgesehen ist ein Selektionsvorteil der fertigen Struktur nur eine notwendige Voraussetzung für ihre evolutive Entstehung; ein evolutiver Weg ihrer Entstehung wird damit nicht begründet.
[Hamm C (2003) Kieselalgenschalen Spielerei oder Anpassung? Biol. in uns. Zeit 33, 142-143.]
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Grundlage für phylogenetische Rekonstruktionen, also für die Ermittlung der Abstammungsverhältnisse im Rahmen der Evolutionslehre, sind Homologien. Das sind Merkmale verschiedener Lebewesen, die auf einen gemeinsamen Vorläufer zurückgeführt werden. Die Erkennung von Homologien ist jedoch nicht trivial und bei weitem nicht so einfach, wie es die Standardbeispiele in Lehrbüchern (wie z. B. der Bau der Gliedmaßen der Wirbeltiere) suggerieren. Baugleichheit von Merkmalen und Positionsgleichheit in einem Konstruktionsgefüge gelten als wichtige Erkennungskriterien. Tatsächlich gibt es aber eine stetig wachsende Zahl von Fällen, wo die Bau- und Positionsgleichheit nicht Ausdruck für gemeinsame Abstammung sind, sondern Abstammungsverhältnisse nur vortäuschen. Dies ist dann der Fall, wenn unterschiedliche Merkmale oder Merkmalskomplexe unterschiedliche Verwandtschaftsverhältnisse nahelegen, die sich gegenseitig ausschließen. Mindestens eines der Merkmale muß in solchen Fällen konvergent oder parallel entstanden sein.
Von einem Beispiel dieser Art berichtet Staniczek (2003) in einem zusammenfassenden Beitrag über die Evolution der Wasserkäfer. Eine Verwandtschaftsanalyse unter Einbeziehung molekularer Daten zeigt, daß innerhalb der Schwimmkäferartigen (Dytiscoidea) keine lineare Entwicklung von Nichtschwimmern zu Schwimmern angenommen werden kann. Wahrscheinlicher ist vielmehr, daß die unterschiedlichen Anpassungen im Körperbau und das unterschiedliche Schwimmverhalten in den einzelnen Untergruppen mehrfach unabhängig entstanden sind. Der Autor faßt die Erkenntnisse wie folgt zusammen: „So ist die scheinbar lineare Progression des Schwimmverhaltens bei den Schwimmkäferartigen von Nichtschwimmern (Amphizoidae, Aspidytidae) über schlechte Schwimmer (Hygrobiidae) bis hin zu hervorragenden Schwimmern bei vielen Ruderschwimmern (Noteridae) und Dytiscidae als ein Ergebnis unabhängiger Parallelentwicklungen zu deuten, und nicht als serielle Abfolge von evolutiven Stadien unterschiedlicher Perfektion“ (Staniczek 2003, 332).
[Staniczek AH (2003) Evolution der Wasserkäfer. Nat. Rdsch. 56, 331-333.]
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Abb.1: Kannenblatt der Kannenpflanze Nepenthes alata. |
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Fliegen sind dafür bekannt, daß sie kopfüber an der Decke laufen können und auch an blankgeputzten Fensterscheiben mühelos Halt finden. Doch ihre überaus haftfähigen Beine sind an den Innenseiten der Kannenfalle der Kannenpflanze überfordert. Durch raffinierte Mikrostrukturen wird die Haftfähigkeit der Fliegenbeine ausgetrickst. Bei den seltsamen Blättern der Kannenpflanze ist ein Teil der Blattspreite in ein kannenförmiges Gebilde umgewandelt (Abb. 1). Unter dem verdickten Rand befinden sich Nektardrüsen, deren Saft Insekten anlockt. Auf dem Rand gelandet geraten sie auf eine abschüssige Bahn, sie rutschen ab und landen in einer Flüssigkeit, die sich im unteren, bauchigen Teil der Kanne befindet. Diese Flüssigkeit ist mit Verdauungsenzymen angereichert. Die Tiere ertrinken, werden verdaut und liefern der epiphytisch lebenden Pflanze wertvolle Mineralsalze.
Weshalb aber schaffen es die Tiere nicht, hochzuklettern? Michael Riedel von der Universität Würzburg ist mit seinen Mitarbeitern dieser Frage nachgegangen. Sie untersuchten die oberflächliche Wachsschicht der Wände. Die Wachsplättchen sind hauptsächlich aus auffallend langkettigen Fettsäuren, Alkoholen und Aldehyden zusammengesetzt, die wahrscheinlich zu Polymeren vernetzt sind (Riedel et al. 2003). Die Mikrostrukturen erwiesen sich nun als viel zu klein, als daß sich krallenbewehrte Fußspitzen oder Haftpolster daran festhaken könnten. Die schmalen Kanten der Wachsplättchen bieten für die Haftpolster offenbar zu wenig Kontaktfläche für eine sichere Haftung. Weil die Oberfläche gerade nicht spiegelglatt ist, ist sie für die Fliegenbeine so „schlüpfrig“.
[Riedel M, Eichner A & Jetter R (2003) Slippery surfaces of carnivorous plants: composition of epicuticular wax crystals in Nepenthes alata Blanco pitchers. Planta 218, 87-97.]
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Eine bemerkenswerte Fähigkeit zu schneller Anpassung unter besonderen Auslesebedingungen konnte in den letzten Jahren beim Kabeljau (Gadus morhua) beobachtet werden. Vor dem südlichen Labrador und dem östlichen Neufundland war der „nördliche Kabeljau“ über hunderte von Jahren die Basis für die Fischerei. In den späten 1980er und 1990er Jahren erlitt er jedoch einen der dramatischsten Rückgänge, die in der Geschichte des Fischfangs beobachtet wurden. Dies führte im Jahre 1992 zu einem Fangverbot durch die kanadische Regierung. (Auch in anderen Regionen kam es zu schweren Rückgängen.) Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Kabeljau-Bestand vor der Ostküste Kanadas in Richtung kleinerer und früher geschlechtsreif werdender Exemplare entwickelt, wie Untersuchungen von Olsen et al. (2004) zeigten. Die Wissenschafter fanden heraus, daß die Kabeljaue die Geschlechtsreife im Jahr 1980 mit durchschnittlich sechs Jahren, 1987 mit durchschnittlich fünf Jahren erreichten. Diese Veränderung dürfte damit zusammenhängen, daß durch die starke Befischung des Kabeljaus die Wahrscheinlichkeit, daß die Tiere ein höheres Alter erreichen, drastisch gesunken ist. Dadurch haben jene Tiere einen Vorteil, die genetisch bedingt zufällig zur früheren Geschlechtsreife neigen und zu diesem Zeitpunkt auch noch kleiner sind. Die Selektion richtet sich gegen Varianten, die später geschlechtsreif werden und größer sind.
Die Veränderungen wurden bereits vor dem deutlichen Rückgang des Bestandes beobachtet. Daher schlagen die Wissenschaftler um Olsen vor, daß die Verschiebung der Geschlechtsreife als Frühwarnung benutzt werden sollte, bevor ein Rückgang der Fischpopulationen offenkundig geworden ist.
Dieses unfreiwillige Experiment dokumentiert beispielhaft die Flexibilität natürlicher Populationen, eine Eigenschaft, die im Grundtypmodell als Ausdruck für die genetische Polyvalenz der Stammformen (Grundtypen) gewertet wird. Diese Polyvalenz ermöglicht den Populationen ein schnelles „Reagieren“ auf Umweltveränderungen.
[Hutchings JA (2004) The cod that got away. Nature 428, 899-900; Olsen EM, Heino M, Lilly GR, Morgan MJ, Brattey J, Ernande B & Dieckmann U (2004) Maturation trends indicative of rapid evolution preceded the collapse of northern cod. Nature 428, 932-925.]
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Alle neueren Studien über die Stammesgeschichte der Vögel haben bisher schlecht aufgelöste Beziehungen zwischen den verschiedenen Vogelordnungen (z.B. Hühnervögel, Kraniche, Greifvögel, Singvögel etc.) produziert. Dieser „Stammbusch“ suggeriert für Evolutionsbiologen die Möglichkeit einer explosiven und wahrscheinlich unauflösbaren evolutionären Aufspaltung, was aus evolutionstheoretischer Sicht sehr unbefriedigend ist, da man allgemein davon ausgeht, daß gleichzeitige Radiationen vieler verschiedener Linien in der Natur selten oder gar nicht vorkommen. Sie wären auch schwer empirisch nachzuweisen, da die fehlende Auflösung auch durch analytische Artefakte verursacht sein könnte. Eine aktuelle Studie, die fünf voneinander unabhängige Gene für die Vögel mit neuen analytischen Methoden untersucht, kommt zu folgenden Ergebnissen: 1. Es bestehen extrem kurze Äste (in einigen Fällen sogar von Länge Null) zwischen den Vogelordnungen, und zwar unabhängig voneinander für alle fünf genetischen Stammbäume. 2. Diese Genbäume sind untereinander nicht deckungsgleich, d. h. das rekonstruierte Aufspaltungsmuster variiert von Baum zu Baum. Dies interpretieren die Autoren als Hinweis auf eine gleichzeitige Aufspaltung vieler Linien, einen „Stammbusch“ also, wie bereits eingangs festgestellt. Es erkläre, warum es trotz aller Bemühungen nie gelungen sei, eine robuste Stammesgeschichte der Vögel aufzustellen. Wie allerdings die ungeheuere Mannigfaltigkeit der Vögel explosionsartig aus gemeinsamen Vorfahren entstanden sein soll, bleibt offen. Darüberhinaus sind Evolutionsmechanismen, die wenigstens theoretisch ein solches Ereignis plausibel machen könnten, völlig unbekannt. Das Ergebnis läßt sich in einem Schöpfungsparadigma hingegen zwanglos als gleichzeitige, voneinander unabhängige Erschaffung aller Großgruppen der Vögel deuten.
[Poe S & Chubb AL (2004) Birds in a bush: Five genes indicate explosive evolution of avian orders. Evolution 58, 404-415.]
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Die Zelle als kleinste Einheit von Lebewesen ist komplex strukturiert. Im Zellkern ist in Form der DNA die genetische Information gespeichert. Kopien von Abschnitten der Erbinformation werden als mRNA ins Zytoplasma geschleust, wo sie den Ribosomen als Anleitung zur Synthese von Proteinen dienen. Die Proteine müssen nun zuverlässig an den Ort ihres Einsatzes transportiert werden, etwa in bestimmte Bereiche der Zelle, zu verschiedenen Organellen oder aus der Zelle hinaus in andere Gewebe.
Ein Teil der Proteine tritt den Versand in verpackter Form an. Sie werden in Vesikeln (von einer Membran begrenzte Bläschen) eingeschlossen und darin transportiert. Solche Vesikel bilden sich an Membranen, die unterschiedliche Kompartimente umhüllen, durch Ausstülpung (Knospung) und schließlich Ablösung von der Ausgangsmembran. Der Prozeß der Knospung wird durch Wechselwirkung von Proteinen, die in der Membran integriert sind, initiiert und gesteuert (Spang 2003).
In den Zellen der Hefe (Saccharomyces cerevisiae) wandern Vesikel zwischen dem endoplasmatischen Retikulum (eR), einem membranumschlossenen Netzwerk, und dem Golgi-Apparat (benannt nach dem italienischen Zellbiologen Camillo Golgi, 1844-1926), einem meist als Stapel von scheibchenförmigen Membranen dargestellten Organell, hin und her. Die Vesikel sind bei dieser Wanderung mit Proteinkomplexen umhüllt. Diese Hüllen unterscheiden sich, je nachdem, ob sich das Vesikel vom eR zum Golgi-Apparat oder in umgekehrter Richtung bewegt. Im ersten Fall ist das Vesikel von COPII (COP = coat protein) eingehüllt, bei Wanderung vom Golgi-Apparat zum eR von COPI. Da die COPI und COPII aber vor der Fusion mit der jeweiligen Zielmembran abgelöst werden, können sie für die Zielerkennung keine maßgebliche Rolle spielen. Auch weitere Rezeptorproteine (SNARE) kommen dafür nicht in Frage, da sie für beide Richtungen in den Vesikelmembranen in derselben Komposition auftreten.
Kamena & Spang (2004) sind nun in einer aktuellen Untersuchung der Frage nachgegangen, wie in den Hefezellen verhindert wird, daß von COPII umhüllte Vesikel, die sich vom eR abgespalten haben, wieder mit der Ausgangsmembran des eR fusionieren. Eine solche Rück-Fusion wurde bisher nicht beobachtet und ist auch im Experiment noch nicht gelungen. Eine Vermutung war, daß weitere Proteine (neben den SNAREs) an Erkennungsprozessen beteiligt sind und die Rück-Fusion aktiv verhindern.
Mit Hilfe bereits früher etablierter Labormethoden (s. Literaturangaben in Kamena & Spang 2004) wurden verschiedene Mutanten untersucht. In einer als Tip20-8 bezeichneten Mutante fusionierten COPII Vesikel tatsächlich wieder mit der Membran des eR. Der Faktor Tip20 ist in der Membran des eR lokalisiert und wird bei der Fusion von COPI-Vesikeln mit der eR-Membran benötigt. Dieser Befund ließe sich damit erklären, daß durch Mutation veränderte Tip20-Faktoren nicht mehr spezifisch COPI für die Fusion akzeptieren, sondern als Kontrolle ausfallen und somit eine Rück-Fusion möglich wird.
Damit ist gezeigt, daß für den gerichteten, spezifischen Transport innerhalb der Zelle und dieser ist für den Organismus essentiell weitere, bisher unbekannte Faktoren von Bedeutung sind und damit die Kommunikationssysteme der Zelle noch komplexer sind als bisher vermutet.
Interessant ist, daß in einer populären Darstellung der Ergebnisse (MPG 2004) diese durch einen Vergleich mit einem komplexen Paketversand-System und Chipkartenlesegeräten veranschaulicht werden. Zur Erklärung der Befunde müssen also komplexe Systeme und deren Logistik herangezogen werden. Nach menschlicher Erfahrung funktioniert diese Logistik nur durch den Einsatz von vielfältiger Intelligenz und Kompetenz.
[Kamena F & SpangA (2004) Tip20p prohibits back-fusion of COPII vesicles with the endoplamatic reticulum. Science 304, 286-289; MPG: Intelligenter Paketdienst in der Zelle. http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/...; Schmitt HD & Schröder-Köhne S Hefe, das eukaryontische E. coli. http://www.mpibpc.gwdg.de/...; Spang A (2003) Regulation der Knospung von retrograden Transportvesikeln in der Hefe Syccharomayces cerevisiae. http://www.mpg.de/bilderBerichteDokumente/...]
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Von einer Exkursion im Libanon hatten Schlee und Mitarbeiter 1969 Stücke für das Staatliche Museum für Naturkunde in Stuttgart mitgebracht und dort archiviert (Schlee & Dietrich 1970). Die Bernsteine waren aus einer Lagerstätte in der Nähe von Jezzine (Südlibanon) gesammelt worden, die dem Hauterive/Unterkreide (127-132 Millionen Jahre) zugeordnet wird. Die dort gefundenen Bernsteine sind derzeit die ältesten mit Insekten-Einschlüssen.
Eines dieser Stücke (C19/2) wurde kürzlich von Zschokke (2003) näher untersucht und beschrieben. Darin eingeschlossen ist ein Spinnfaden von ca. 4 mm Länge und einem Durchmesser von ca. 3 µm (vgl. Abb. 1). Am Faden befinden sich 38 Klebetröpfchen in zwei Bereichen; sie sind 7-29 µm groß; es finden sich 22 Tröpfchen pro mm. Kleine und größere Tröpfchen wechseln sich ab; es handelt sich um halbdurchsichtige Kügelchen, die entlang des Fadens etwas ellipsoid verzerrt sind.
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Abb.1: Teil eines Spinnenfadens aus der Unterkreide in Bernstein konserviert. (Abdruck mit freundlicher Genehmigung von S. Zschokke) |
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Nach Ansicht von Zschokke ist dieser Faden damit denjenigen heutiger Webspinnen (Araneae) auffällig ähnlich. Die geringe Größe macht eine genaue artliche Zuordnung des Fadens allerdings unmöglich. Der Autor vermutet die Herstellerin eher unter den Kugelspinnen (Theridiidae) als unter den Radnetzspinnen (Araneidae), ohne sich allerdings begründet festzulegen.
Für Spinnen liegen weitere aussagekräftige fossile Befunde vor. So hat Selden (1989) Radnetzspinnen aus der Unterkreide aus der Sierra de Montsech (Lérida, Nordost-Spanien) beschrieben und Shear et al. (1989) berichten über eine fossile Spinndrüse aus dem Mittleren Devon aus der Nähe von Gilboa, New York. Durch morphologische Vergleiche vermuten sie eine Verwandschaft der Besitzerin dieser Spinndrüse mit heutigen Gliederspinnen (Mesothelae).
Damit liegen weitere Hinweise dafür vor, daß im Fossilbefund Strukturmerkmale heutiger Lebewesen plötzlich fertig auftauchen; und zwar ohne daß irgendwelche weniger komplexe Vorläuferkonstruktionen bekannt wären oder die Strukturen sich im Verlauf der Erdgeschichte grundlegend geändert hätten.
[Schlee D & Dietrich HG (1970) Insektenführender Bernstein aus der Unterkreide des Libanon. Neues Jb. Geol. Paläontol. Mh. 1, 40-50; Selder PA (1989) Orb-web weaving spiders in the early Cretaceous. Nature 340, 711-713; Shear WA, Palmer JM, Coddington JA, Bonamo PM (1989) A Devonian spinneret: early evidence of spiders and silk use. Science 246, 479-481; Zschokke S (2003) Spider-web silk from the early Cretaceous. Nature 424, 636-637.]
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Vor 1995 war unser Sonnensystem das einzige bekannte Beispiel eines Systems, in dem Planeten um einen Stern kreisen. Das führte zur Überzeugung, daß sonstige (bis dahin noch hypothetische) Sonnensysteme im Wesentlichen die Eigenschaften unserer eigenen haben würden innen kleine, felsige Planeten und außen Gasriesen. Die Entdeckung von inzwischen über 100 sogenannten Exoplaneten hat dieses Bild schwer getroffen. Es wurden viele Beispiele bekannt, die völlig aus diesem erwarteten Schema fielen: Gasriesen von der Größe von Jupiter umkreisten den Stern in einem Umlaufradius, der zehnmal kleiner war als der Umlaufradius unserer Erde. Diese Planeten erhielten den Namen „heiße Jupiter“. Nun wurden mit Hilfe der Transit-Methode (Abdunkeln des Sterns beim Durchgang eines Planeten) drei weitere Planeten gefunden, die den bisherigen Rekord bezüglich Umlaufszeit noch brechen und sich darum noch näher beim zentralen Stern befinden müssen, als man das von den anderen Beispielen kannte. Sie erhielten den Namen „sehr heiße Jupiter“. Basri (2004) schreibt: „Es ist weder klar, wie diese Planeten so nah zu ihren Sternen kommen konnten, noch wie lange sie dort bleiben konnten [...] Wir sind mit einem interessanten Rätsel zurückgelassen, welches für eine Lösung mehr Beobachtungen und Analyse erfordert. Entweder wurde eine neue, tückische Art von Falschsignalen für Transit-Untersuchungen entdeckt oder unsere Planetensystemtheorien müssen weiter ausgebaut werden.“
[Basri G (2004) Too close for comfort. Nature 430, 24-25.]
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Das Licht, das uns heute von weit entfernten Galaxien im Universum erreicht, zeigt, wie diese waren, als das heute beobachtete Licht von ihnen ausging. Aus diesem Grund müßten sehr weit entfernte Galaxien „jung“ erscheinen, weil wir das Universum zu einer Zeit beobachten, als es noch viel weniger weit entwickelt war. Diese Sichtweise von einem früher noch unentwickelten Universum wurde jedoch durch zwei neuere Studien herausgefordert: Dabei wurden „alt“ erscheinende, massive Galaxien in weit größerer Distanz beobachtet als die bisherigen Rekordhalter. Das paßt nicht in die aktuellen Theorien der Struktur- und Galaxienbildung im frühen Universum. Wirth (2004) kommentiert: „Mit der soliden Bestätigung, daß es bereits vor 10 Milliarden Jahren viele alte, massive Galaxien gab, wird klar, daß auch die besten Modelle die Evolution der Galaxien nicht vollständig erklären können. Diese Studien nötigen die Astronomen, zu erwägen, ob massive Galaxien bereits viel früher als durch die hierarchischen Modelle vorausgesagt entstanden, oder ob die Sterne in diesen frühesten Galaxien auf eine völlig andere Weise als erwartet geformt wurden.“
[Wirth GD (2004) Old before their time. Nature 430, 149-150.]
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Nach der allgemein anerkannten Ansicht ist unsere Sonne im Abstand von etwa 35-50 AE (Astronomische Einheit, Abstand der Erde zur Sonne) vom sog. Kuiper-Gürtel umgeben, der Staub und größere Objekte wie Kometen enthält. Die Gesamtmasse der Kometen, die bis 50 km Durchmesser haben können, wird auf etwa 0,1 Erdmassen geschätzt. Die Gesamtmasse der Staubteilchen ist klein, aber unsicher. Schätzungen belaufen sich auf Größenordnungen von einem Hunderttausendstel der Erdmasse.
Diese Konstellation wurde nun durch die Untersuchung des Sterns t-Ceti als wahrscheinlich untypisch entlarvt. t-Ceti ist ein sonnenähnlicher Stern in etwa 12 Lichtjahren Entfernung, dessen Alter auf etwa 10 Milliarden Jahren geschätzt wird. Es ist nun gelungen, um diesen Stern eine Staubschicht zu beobachten in etwa derselben räumlichen Ausdehnung wie der Kuiper-Gürtel unserer Sonne, allerdings mit dem Unterschied, daß die Staubmasse insgesamt über 10 mal höher ist als in unserem Sonnensystem. Da Staub, der nicht in Planeten integriert ist, durch Strahlungsdrücke und andere Kräfte relativ leicht entfernt wird, muß er vor nicht langer Zeit neu gebildet worden sein. Die Bildung wird durch Kollisionen großer Kometen angenommen. Die hohe Staubmasse um t-Ceti legt nun eine Masse von Kometen nahe, die etwa 1,2 Erdmassen entspricht und somit viel höher ist als die Kometenmasse unseres Kuiper-Gürtels.
Die Ergebnisse von t-Ceti passen zudem zu den Beobachtungen eines weiteren erdähnlichen Sterns unserer Umgebung e-Eri der aber viel jünger geschätzt wird und etwa 20mal mehr Staub als t-Ceti aufweist. Die Menge des Staubes unseres Sonnensystems fällt damit deutlich unter die Erwartung aufgrund der beiden anderen Sterne. Dies legt im Rahmen der herkömmlichen Theorien eine spezielle Geschichte unseres Sonnensystems nahe, über die nur spekuliert werden kann. Bedeutender ist aber, daß die geringe Menge an Kometen in unserem Sonnensystem für eine ruhige Umgebung unserer Erde sorgt, während mögliche Planeten um t-Ceti einem deutlich höheren Bombardement großer Objekte ausgesetzt sind. In einer Pressemitteilung äußerte sich Projektleiterin Jane Greaves zu diesem Aspekt: „t-Ceti hat mehr als die zehnfache Menge von Kometen und Asteroiden als unser Sonnensystem. Wir wissen noch nicht, ob t-Ceti von irgendwelchen Planeten umkreist wird, aber wenn es der Fall ist, dann werden diese wahrscheinlich ein konstantes Bombardement von Asteroiden desselben Typs erleben, der für das Aussterben der Dinosaurier angenommen wird. Es ist unwahrscheinlich, daß bei so vielen Einschlägen das Leben die Möglichkeit hatte, sich zu entwickeln.“ Würden sich die bisherigen Beobachtungen der Umgebung der beiden Sterne auch bei weiteren Untersuchungen bestätigen, leben wir offensichtlich in einer ungewöhnlich ruhigen Umgebung ideal für einen bewohnbaren Planeten.
[Greaves JS, Wyatt MC, Holland WS & Dent WRF (2004) The debris disc around t Ceti: a massive analogue to the Kuiper Belt. MNRAS 351, 54-58. Pressemitteilung auf http:// www.spaceflightnow.com/news/n0407/05tauceti/]
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