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Der Ursprung des aufrechten Ganges

Michael Brandt

Eine zentrale Frage in der postulierten Evolution des Menschen. Der Autor zeigt am Beispiel der Fortbewegungsweise, daß ein allmählicher Übergang von Affen zum Menschen anhand von Fossilien nicht nachgewiesen werden kann. Ein intensiver Einblick in die aktuelle Forschung!

  Thema

Die Entstehung des zweibeinigen Ganges ist ein Kernstück in allen Theorien zur Evolution des Menschen. Als wichtiges Bindeglied zwischen Menschenaffen und Menschen gilt Australopithecus, der neben zahlreichen großaffenähnlichen Merkmalen auch Anpassungen an den zweibeinigen Gang besitzt. Das Fortbewegungsrepertoire von Australopithecus wird allerdings kontrovers diskutiert. Das Homo habilis zugeordnete postcranielle Skelettmaterial weist Beziehungen teilweise zu Homo, aber auch zu Australopithecus auf.

Diese Arbeit präsentiert eine Gesamtdarstellung unseres Wissens über die Fortbewegung der frühen Hominiden (Menschenartigen). Sie weist nach, daß entgegen der verbreiteten Sichtweise das unter den Primaten einmalige Fortbewegungsrepertoire der Australopithecinen dem des Menschen nicht besonders ähnlich ist.



Michael Brandt
SG Wort und Wissen 
Fachgruppe Biologie

  Inhalt

1.   Einleitung

2. Hypothesen zum Ursprung der menschlichen Bipedie

3. Die Körperproportionen der frühen Hominiden
3.1   Australopithecus
3.1.1    Australopithecus afarensis (AL 288-1)
3.1.2 Australopithecus robustus
3.2 Homo habilis (OH 62)
3.3 Homo (sp., erectus)
3.4 Körperproportion und Fortbewegung der frühen Hominiden

4. Die Hand der frühen Hominiden
4.1 Die Hand von Australopithecus afarensis
4.1.1     Morphologie
4.1.2 Anpassungen an das Baumleben
4.2 Handknochen von Australopithecus africanus
Metacarpalia und Phalangen
Das Capitatum
4.3 Taxonomisch umstrittene Handknochen aus Swartkrans
4.4 Die Hand von Homo habilis (OH 7)
4.4.1    Morphologie
Das Scaphoid
Das Capitatum
Das Trapeziumscaphoidalgelenk
Das Carpometacarpalgelenk I
Proximale Phalangen
Mediale Phalangen
Distale Phalangen
4.4.2 Anpassungen an das Baumleben
4.5 Zusammenfasssung

5. Schultergürtel und Arm der frühen Hominiden
5.1 Der Schultergürtel von Australopithecus
5.1.1    Proximaler Humerus
5.1.2 Die Scapula (AL 288-1l, Sts 7)
Glenoidausrichtung
Tuberculum supraglenoidale
Processus coracoideus
Spina scapulae
5.1.3 Funktionelle Interpretation der Australopithecus-Schulter
5.2 Die Clavicula der frühen Hominiden
5.3 Ellenbogenlenk und Unterarm
5.3.1 Merkmale des distalen Humerus der rezenten Hominoiden
5.3.2 Der distale Humerus von Australopithecus
Merkmalsbeschreibung
Funktionelle Deutung
5.3.3 Der distale Humerus des frühen Homo
5.3.4 Die Ulna der frühen Hominiden
5.3.4.1    Australopithecus robustus (Omo L40-19)
5.3.4.2 Weitere hominide Ulnafragmente
5.3.5 Der Radius der frühen Hominiden

6. Thorax und Wirbelsäule der frühen Hominiden
6.1 Der Thorax
6.2 Die Wirbelsäule
6.3 Funktionelle Schlußfolgerungen

7. Das Becken der frühen Hominiden
7.1 Das Becken von Australopithecus
7.1.1 Das Darmbein
Form
Ausrichtung
Iliacale Knochenstrebe
Crista iliaca
Spina iliaca anterior inferior
7.1.2 Das Acetabulum
7.1.3 Das Sitzbein
7.1.4 Das Schambein
7.1.5 Das Kreuzbein
7.1.6 Unterschiede zwischen dem Becken der robusten und grazilen Australopithecinen
7.1.7    Multivariate Beckenanalysen von Australopithecus
7.1.8    Beckenanatomie und Fortbewegung von Australopithecus
Lateral weit ausladende Darmbeinschaufeln
Acetabulospinale Knochenstrebe
Der weite Beckeneingang
Das Sitzbein
Das Kreuzbein
Multivariate Analysen
7.2 Das Becken des frühen Homo
Merkmalsbeschreibung
Funktion des frühen Homo-Beckens

8. Der Femur der frühen Hominiden
8.1 Der Femur der Australopithecinen
8.1.1 Proximaler Femur
Halslänge
Struktur des Femurhalses
Kopfgröße
Kopfmorphologie
Hals-Schaft-Winkel
Trochanter major
Linea intertrochanterica
Trochanter minor
Obturator-externus-Grube
Multivariate Analysen
8.1.2 Femurschaft
8.1.3    Distaler Femur
Bicondylärer Winkel
Morphologie der Patellagrube
Profil des lateralen Condylus
Proportion und Symmetrie der distalen Condylen
Multivariate Untersuchungen
8.1.4 Femurmorphologie und Fortbewegung von Australopithecus
Proximaler Femur
Distaler Femur
8.2 Der Femur von Homo habilis (OH 62)
8.3 Der Femur des frühen Homo (sp., erectus)
Proximaler Femur
Femurschaft
Distaler Femur
Knochenarchitektur
Multivariate Analysen
Zusammenfassung
8.4 Exkurs: Die Sonderstellung der Trinil-Femora

9. Knie und Unterschenkel der frühen Hominiden
9.1 Struktur und Funktion des Hominoidenknies
Die Menisci
Gelenkkongruenz
9.2 Das Kniegelenk der frühen Hominiden
9.2.1 Australopithecus afarensis
9.2.2 Früher Homo
9.3 Der Unterschenkel der frühen Hominiden
9.3.1 Australopithecus afarensis
9.3.2    Homo habilis

10. Der Fuß der frühen Hominiden
10.1 Grundsätzliche Unterschiede zwischen dem Menschenaffen- und Menschenfuß
10.1.1 Der Fuß des Menschen und der Pongiden bei der bipeden Fortbewegung
10.1.2 Wichtige Unterschiede in der Struktur des Pongiden- und Menschenfußes
Das obere Sprunggelenk
Der subtalare Gelenkkomplex
Das calcaneocuboidale Gelenk
Das Fußgewölbe
Subtalare Gelenkachse und Fußanatomie
Zusammenfassung
10.1.3    Funktion des ganzen Fußes
10.2 Der Fuß von Australopithecus afarensis
Oberes Sprunggelenk
Tarsalknochen
Halluxposition und Funktion des ersten Strahls
Metatarsophalangealmorphologie und Zehenflexionsfähigkeit
Phalangen
Zusammenfassung
10.3 Australopithecus robustus (SKX 5017, TM 1517)
10.4 OH 10 - eine Großzehenendphalanx aus Olduvai
10.5 Der Fuß von Homo habilis (OH 8)
10.5.1 Kontroverse Interpretationen
10.5.2 Merkmale des Olduvaifußes
Halluxstellung
Torsion der Metatarsalia
Robustizität der Metatarsalia
Vordere Intertarsal- und Tarsometatarsalgelenke
Das calcaneocuboidale Gelenk
Das Fußgewölbe
Talus und subtalare Gelenkachse
10.5.3    Zusammenfassung
10.6   Fußabdrücke aus Laetoli

11. Labyrinthmorphologie und Fortbewegung

12. Zusammenfassung: Das Lokomotionsrepertoire der frühen Hominiden

13. Anhang
A. Position und Ausrichtung des Foramen magnum und der occipitalen Condylen
B. Venöse Hirnabflüsse und Fortbewegung

Glossar

Literatur

Dank

Datierung, Taxonomie und Referenzen der Funde

Autorenverzeichnis

Verzeichnis der Fossilfunde


  Einleitung

Obwohl Homo sapiens nicht der einzige Primat ist, der auf zwei Beinen geht – Schimpanse und Gibbons machen dies des öfteren, wenn es die Umstände erfordern – ist er der einzige, der dies gewohnheitsmäßig und mit schreitendem Gang tut. Der Erwerb des aufrechten Ganges gilt deshalb als Kernstück der menschlichen Evolution neben der Reduktion der Eckzähne und der erheblichen Zunahme des Gehirnvolumens, die im Zusammenhang mit der Entstehung der Sprache und Ausbildung einer materiellen Kultur gesehen werden.

1925 stelle Dart zum ersten Mal die Behauptung auf, daß Australopithecus africanus, ein kurz zuvor entdeckter Gesichtsschädel mit angeheftetem Schädelinnenausguß (Taung), als früher Hominide einzustufen sei. Eine wichtige Begründung für diese Zuordnung war die Vermutung, daß Australopithecus africanus sich eher menschlich fortbewegte. Dies schloß Dart aus der Stellung des Hinterhauptslochs. Bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Meinung vorherrschend, daß sich während der Evolution des Menschen zuerst das Gehirn und danach die bipede Fortbewegung entwickelt hätten. Mit einem nur schimpansengroßen Schädelvolumen paßte Australopithecus africanus nicht in diese Evolutionsvorstellung, und Darts Klassifikation fand wenig Zustimmung. Unterstützung erfuhr Dart in seiner Auffassungvon Broom, der 1938(a) die Menschenähnlichkeit erster Extremitätenknochen anderer Australopithecinen betonte. Ende der 40er Jahre bahnte sich mit der Entdeckung weiterer postcranieller Skelettelemente (u.a. ein gut erhaltenes Becken) von Australopithecus ein Meinungsumschwung in der Beurteilung dieser Fossilgruppe an. Die Australopithecinen, die ein Merkmalsmosaik von Menschenaffe und Mensch aufweisen, werden seit dieser Zeit von nahezu allen Paläanthropologen als Bindeglied zwischen Tier und Mensch gedeutet. Sie besitzen mit nur einem relativ kleinen Hirnvolumen Anpassungen an einen aufrechten Gang. Seit der Akzeptanz der Australopithecinen als Vorfahren in der Linie zu Homo herrscht die Vorstellung, daß in der Evolution des Menschen der Erwerb des Bipedie der Gehirnexpansion vorangegangen ist. In der Vergangenheit wurde aber immer wieder darauf aufmerksam gemacht, daß die Australopithecinen auch Merkmale aufweisen, die auf arboreale Fortbewegungsmöglichkeiten schließen lassen. Mit der Entdeckung sehr reichlichen und gut erhaltenen Fossilmaterials in Tansania / Äthiopien (Ostafrika) hat diese Sichtweise in jüngerer Zeit eine starke Unterstützung erfahren. Die intensive kontroverse Diskussion über die Fortbewegungsmöglichkeiten der Australopithecinen und die anhaltenden taxonomischen Streitigkeiten um Homo habilis lassen eine Gesamtdarstellung des gegenwärtigen Diskussionsstandes des Lokomotionsrepertoires der frühen Hominiden aus dem Plio-Pleistozän lohnenswert erscheinen. Aiello & Dean (1990) haben ein wegweisendes Buch geschrieben. In der vorliegenden Arbeit sind wichtige Ergebnisse dieser Autoren dankbar aufgenommen und damit für den deutschsprachigen Raum zugänglich gemacht worden. Darüber hinaus wurden noch einige multivariate Analysen sowie neueste Publikationen berücksichtigt. Die Untersuchung beschränkt sich auf die frühen fossilen Hominiden Australopithecus, Homo habilis und den frühen Homo (sp., erectus), da die Evolution der menschlichen Bipedie in der frühen Hominidenphase angenommen wird. Der taxonomische Status und die phylogenetische Bedeutung dieser fossilen Hominidengruppen werden vor dem Hintergrund ihrer Fortbewegungsanpassungen beurteilt.



  Bestellhinweise

Dieses Buch ist zur Zeit leider vergriffen:
Michael Brandt
Der Ursprung des aufrechten Ganges
Neuhausen- Stuttgart, Hänssler, 1995
Pb., 165 S., Format 16,5x24; 123 Abb.; 10 Tab.
ISBN 3-7751-2357-1

15,95 EUR / 23,90 SFr



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