Anmerkungen

  1. Die Bezeichnung Kreationismus wird meist als Sammelbegriff verwendet. Ohne eine weitere Differenzierung werden darunter alle mehr oder weniger christlich motivierten Stellungnahmen eingeordnet, die sich in irgendeiner Weise fundamental-kritisch mit den Ergebnissen der modernen Naturwissenschaft (insbesondere der Evolutionstheorie) befassen bzw. von einem Schöpfungsglauben im Sinne des Alten und Neuen Testaments ausgehen. Der Begriff ist in aller Regel negativ besetzt und wird meistens im diffamierenden Sinne benutzt. Die Auseinandersetzung mit diesen Strömungen geschieht von Seiten der Wissenschaft leider oft methodisch unangemessen. Die Beiträge sind vielfach schlecht recherchiert und ergeben daher ein verzerrtes, undifferenziertes und oft sogar sachlich falsches Bild der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Jessberger (1990) oder Franz M. Wuketits (1995) Evolutionstheorien: historische Voraussetzungen, Positionen, Kritik. Darmstadt: Wiss. Buchges., Kap. 2.4 + 2.5, S. 27-34 [Dimensionen der modernen Biologie, Bd. 7]). Daraus ergeben sich Pauschalisierungen, die leicht in Verkennung der richtigen Verhältnisse als Standard übernommen werden (vgl. z.B. Hermann Linder (Begr., 1998) Biologie. 21. Aufl. Hannover: Schroedel, oder Karl-Heinz Berck (1999) Biologiedidaktik. Grundlagen und Methoden. Wiebelsheim: Quelle und Meyer, Kap. 19.3.3., S. 236ff.). Außerdem dürften sich Christen mit Recht darüber beschweren, aufgrund ihres Glaubens an eine Schöpfung der Welt durch Gott als anti-wissenschaftlich und irrational abqualifiziert zu werden.
    Innerhalb des christlichen Umfeldes existiert aber keine einheitliche kreationistische Sichtweise. Für einen Einstieg in die gegenwärtige Diskussionslage im deutschen Protestantismus sei auf die idea-Dokumentation 8/2000 "Evolution oder Schöpfung?" hingewiesen. Sie ist für DM 8,50 über die Evangelische Nachrichtenagentur Idea, Postfach 18 20, in 35528 Wetzlar zu beziehen. Vgl. auch Hansjörg Hemminger (1991) Jenseits der Weltbilder. Stuttgart: Quell-Verlag.
  2. Die Bedeutung der Experimente zur primären Biogenese ist übrigens von den Pionieren dieser Arbeiten selbst deutlich relativiert worden (z.B. Stanley Miller (1986) Current status of the prebiotic synthesis of small molecules. In: Chem. Script. 26B, S. 2-11 oder Christian de Duve (1994) Ursprung des Lebens. Präbiotische Evolution und die Entstehung der Zelle. Heidelberg: Spektrum).
  3. Vgl. hierzu Gerhard Vollmer (1984) Die Unvollständigkeit der Evolutionstheorie. In: Ders. (1986) Was können wir wissen? Bd. 2. Die Erkenntnis der Natur. Stuttgart: Hirzel, S. 1-38, und Andreas Knapp (1989) Soziobiologie und Moraltheologie: Kritik der ethischen Folgerungen moderner Biologie. Weinheim: VCH, Acta Humaniora, Kap. 2.5.1, S. 47-54.
  4. Eine genauere Fassung der Definition und ausführliche Begründungen finden sich ebenfalls bei Scherer (1993).
  5. Es kann hier wieder nur angedeutet werden, daß nicht alle antievolutionistischen Strömungen pauschal als "Kreationismus" eingestuft werden können und eine wissenschaftliche Kritik evolutionärer Vorstellungen, auch wenn sie von sogenannten "Bibeltreuen" vorgebracht wird, nicht automatisch als Pseudowissenschaft zu diffamieren ist. Eine sehr gute Zusammenschau schöpfungstheoretischer Sichtweisen auf biblischer Grundlage und ihre Relevanz für die Evolutionslehre (auch zu den Grundtypen) geben Junker & Scherer (2001).
  6. Nach Thomas S. Kuhn (1979) bestimmt ein Paradigma über eine gewisse Zeit hinweg den gesamten Forschungsprozeß. Von dieser Linie abweichende Forschungsvorhaben können sich in der Hochphase der paradigmatischen Vorgabe nicht durchsetzen. Erst wenn das Paradigma an Kraft verliert, weil evtl. neue, unabweisbare Erkenntnisse vorliegen, wandelt sich die Bereitschaft zu einer Neuorientierung der Forschung. Der Umschwung ist dann in der Regel an eine neue Generation von Forschenden gekoppelt, welche die bisherige Arbeit revolutionieren. (Als kurze Annäherung an Kuhn sei folgendes Büchlein empfohlen: Kurt Bayertz (1981) Wissenschaftstheorie und Paradigmabegriff. Stuttgart: Metzler).

Literatur

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  • Blechschmidt Erich (1996) Die Erhaltung der Individualität. Weilheim-Bierbronnen.
  • Deerksen A. A. (1993) The Seven Sins Of Pseudo-Science. In: J. Gen. Phil. Sci. 24, 17-42.
  • Doolittle W. Ford (2000) Stammbaum des Lebens. In: Spektr. Wiss., April 2000, S. 52-57.
  • Eberlein Gerald L. (1991) Schulwissenschaft - Parawissenschaft - Pseudowissenschaft. In: Ders. (Hg.) Schulwissenschaft, Parawissenschaft, Pseudowissenschaft. Stuttgart: Hirzel, S. 109-118.
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  • Gould Stephen Jay (1977) Ontogeny and phylogeny. Cambridge (Mass.): Harvard Univ. Press.
  • Haeckel Ernst (1866) Generelle Morphologie. I: Allgemeine Anatomie der Organismen. II: Allgemeine Entwickelungsgeschichte der Organismen. Berlin.
  • Hansson Sven Ove (1996) Defining Pseudoscience. In: Philosophia naturalis 33, 169-176.
  • Illies Joachim (1983) Im Wunderwald der Stammbäume. Dendrologie einer Illusion. In: Alfred Locker (Hg.) Evolution - kritisch gesehen. Salzburg: Pustet, S. 97-123.
  • Jessberger Rolf (1990) Kreationismus. Kritik des modernen Antievolutionismus. Berlin: Parey.
  • Junker Reinhard & Scherer Siegfried (2001) Evolution: ein kritisches Lehrbuch. 5., aktualis. Aufl. Gießen: Weyel.
  • Kanitscheider Bernulf (1999) Es hat keinen Sinn, die Grenzen zu verwischen. Interview mit Bernulf Kanitscheider über die Beziehung zwischen Religion und Wissenschaft. In: Spektr. Wiss., Nov. 1999, S. 80-83. (Vgl. auch: Ders. (2000) Die Flucht ins Mysterium löst nicht die Probleme der Logik. In: Spektr. Wiss., Juni 2000, S. 82-85.)
  • Kaplan Reinhard W. (1978) Der Ursprung des Lebens. 2. Aufl. Stuttgart: Thieme, S. 281-287.
  • Kuhn Thomas S. (1979) Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. 2. Aufl. Frankfurt: Suhrkamp.
  • Mahner Martin (1990) Wissenschaftlicher Kreationismus. Eine Pseudowissenschaft mit religiösem Hintergrund. Skeptiker 3/1990, 15-20.
  • Mahner Martin (1992) What is a species? A Contribution to the Never Ending Species Debate in Biology. In: J.r Gen. Phil. Sci. 24, 103-126.
  • Marsh Frank L. (1976) Variation and fixity in nature. Ohama: ohne Verl.
  • Rieppel Olivier (1992) Unterwegs zum Anfang. Geschichte und Konsequenzen der Evolutionstheorie. München: dtv.
  • Scherer Siegfried (1993) Hrsg.: Typen des Lebens. (Studium Integrale) Berlin: Pascal.
  • Storch Volker & Welsch Ulrich (1989) Evolution. Tatsachen und Probleme der Abstammungslehre. 6. durchges. u. erw. Aufl. München: dtv.
  • Ullrich H (2000) Die Ontogenese des Individuums: Fundament oder Stolperstein für die Evolutionsforschung? Praxis d. Naturwiss. - Biologie 6/49, S. 22-29.
  • Vollmer Gerhard (1993) Wozu Pseudowissenschaften gut sind. In: ders.: Wissenschaftstheorie im Einsatz. Beiträge zu einer selbstkritischen Wissenschaftsphilosophie. Stuttgart: Hirzel, S. 11-29.
  • Vollmert Bruno (1986) Das Molekül und das Leben. Hamburg: Rowohlt.
  • Weber Max (1919) Wissenschaft als Beruf. In: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Hrsg. von Johannes Winkelmann. 7. Aufl. Tübingen: Mohr, 1988, S. 582-613.
  • Wehner Rüdiger & Gehring Walter (1990) Zoologie. 22. völlig neu bearb. Aufl. Stuttgart: Thieme.