Studium Integrale Journal - Home Studium Integrale Journal 23. Jg. Heft 1 - Mai 2016
Druckerfreundliche Ansicht dieser Seite



Beat Schweitzer
Design in der Natur. Von der Physikotheologie zu Intelligent Design.

Rezension von Reinhard Junker

Studium Integrale Journal
23. Jahrgang / Heft 2 - Oktober 2016
Seite 128 - 129


Beat Schweitzer
Design in der Natur. Von der Physikotheologie zu Intelligent Design. Gießen: Brunnen-Verlag, 320 Seiten
Gosses Bild

Mit diesem Buch legt Beat Schweitzer seine Doktorarbeit vor, die im Wintersemester 2014/2015 an der Universität Regensburg angenommen wurde. Als Ziele seiner Arbeit nennt er eine differenzierende Betrachtung von Intelligent Design und der Intelligent-Design-Bewegung, einen Vergleich der vordarwinistischen Physikotheologie mit Intelligent Design und eine Bewertung des Beitrags von Intelligent Design zum Dialog zwischen Naturwissenschaft und Theologie.

Physikotheologen schlossen mittels Naturbeobachtungen auf die Existenz eines Schöpfers, darüber hinaus auch auf Gottes Eigenschaften. Sie setzten eine intelligente Struktur der Natur paradigmatisch voraus, die es durch Forschung zu enthüllen gelte. Heutige Befürworter des Intelligent-Design-Ansatzes stehen insofern in deren Tradition, als auch sie aus bestimmten Kennzeichen der Schöpfung einen Schluss auf einen Designer ziehen, allerdings ohne etwas über dessen speziellere Eigenschaften aussagen zu wollen.

Die historischen Ausführungen Schweitzers über frühe Vertreter des Design-Arguments bzw. der ähnlich ausgerichteten Physikotheologie und ihrer Argumente füllen eine Lücke in der (mir bekannten) neueren Literatur über Intelligent Design im deutschsprachigen Raum. Schweitzer stellt heraus, dass für die Physikotheologen ein genaues Studium der Natur wichtig war, ebenso die Beschreibung vieler Beispiele, um auch durch die Fülle der Indizien für einen Schöpfer argumentieren zu können. Die Erforschung der Natur hatte also einen hohen Stellenwert. Bemerkenswert sind auch die Ausführungen über William Paley und seine Argumentation für Schöpfung, erfährt man doch einiges darüber, dass sich Paley schon 1802 in seinem Werk Natural Theology mit vielen Argumenten gegen den Schluss auf Design befasst hat, die auch heute in der Diskussion um das Design-Argument vorkommen. Paley wird damit gleichsam rehabilitiert, denn es wurde in der neueren Diskussion um Intelligent Design häufig – aber fälschlicherweise – behauptet, Paley sei durch die Argumente des schottischen Philosophen David Hume schon widerlegt gewesen, bevor er sein Buch veröffentlichte. Das Gegenteil kommt den Tatsachen deutlich näher: Paley antwortet auch auf Humes kritische Einwände.

Informativ ist auch der geschichtliche Rückblick zur Evolutionstheorie, der einige Details bietet, von denen man sonst wenig erfährt, z. B. von den speziellen Evolutionsvorstellungen von Lamarck oder den teilweise gegensätzlichen damaligen Einschätzungen von Darwins Theorie bezüglich ihrer Vereinbarkeit mit einem Schöpfer (Charles Hodge vs. Asa Gray). Schweitzer arbeitet klar heraus, dass Darwin das klassische Design-Argument im Sinne der Physikotheologie oder in der Darstellung von Paley ablehnte, weil er dieses (zu Unrecht?) mit einem statischen Naturverständnis verknüpfte, das er ablehnte, und auch weil er die üblen Seiten der Schöpfung mit einem direkt erschaffenden Gott nicht zusammenbringen konnte.

Physikotheologen schlossen mittels Naturbeobachtungen auf die Existenz eines Schöpfers und auch auf Gottes Eigenschaften.

Für die aktuelle Diskussion ist die Analyse der heutigen Argumente von Befürwortern von Intelligent Design von besonderem Interesse. Nach meiner Einschätzung ist die Darstellung der Argumente für und gegen den Design-Ansatz in Schweitzers Buch einseitig. Der Autor folgt der verbreiteten Lesart, Darwin habe mit dem Selektionsmechanismus dem Design-Argument der Art Paleys den Todesstoß versetzt.1 Das kann man allerdings mit guten Gründen bestreiten.2 Außerdem könnten die Befürworter des Design-Arguments nicht erklären, wie Gott die Entwicklung steuert (182). Diese Kritik ist fragwürdig, weil viele Befürworter von Intelligent Design gar nicht davon ausgehen, dass Gott die Entwicklung steuert, sondern eine direkte Erschaffung annehmen. Ein solcher vergangener singulärer Schöpfungsvorgang ist aber prinzipiell genauso wenig untersuchbar wie ein hypothetischer vergangener Evolutionsprozess. Beim Design-Ansatz geht es nur um die Frage „geistige oder nicht-geistige Verursachung?“

Weiter zitiert Schweitzer Kritik des Arguments der nichtreduzierbaren Komplexität, zu der es eine Reihe von Gegenkritiken gibt, von der der Leser jedoch kaum etwas erfährt. Die Kritiker dieses Arguments kommen daher m. E. viel zu gut weg (und das Argument dadurch viel zu schlecht).3 Ähnliches trifft für die Behandlung des Analogie-Arguments zu (Details dazu unter www.wort-und-wissen.de/info/rezens/b55.pdf).

Die Darstellung ist auch aus einem zweiten Grund einseitig: Immer wieder wird (unterschwellig) der Eindruck erweckt, nur die Design-Vertreter hätten eine Beweislast zu tragen. Doch die Befürworter einer natürlichen Entstehungsgeschichte müssen selbst im Einzelnen nachvollziehbar darlegen, wie auf der Basis physikalisch-chemischer Prozesse und nicht-geistiger Verursachung die Designs der Lebewesen entstehen können, denn es ist ihre Behauptung, dass die Lebewesen ohne Input eines Schöpfers entstehen konnten.

Befürworter einer natürlichen Entstehungsgeschichte müssen selbst zeigen, wie allein auf der Basis physikalisch-chemischer Prozesse Lebewesen entstehen können.

Zusätzlich problematisch ist in diesem Zusammenhang, dass nicht geklärt wird, was mit „Beweis“ auf diesem Gebiet überhaupt gemeint ist bzw. welche Art von „Beweis“ für alle (!) Ansätze überhaupt möglich ist.4 Im strengen logischen oder mathematischen Sinne ist ein Beweis in den Naturwissenschaften nämlich prinzipiell nicht möglich. Das gilt in ganz besonderer Weise für alle historischen Erklärungsansätze. Relevant sind hier Indizienbeweise; hier ist aber auch die andere Seite – der naturalistische Ansatz – herausgefordert, Indizien, vor allem mechanistischer Art, zu erbringen. Hat dieser bessere Karten als der Design-Ansatz? Diese Frage wird nicht einmal klar aufgeworfen. Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass weil Intelligent Design den zwingenden Beweis für seine Sache nicht erbringen kann, somit der Ansatz einer natürlichen Entstehungsgeschichte die Nase vorn oder wenigstens gute Argumente hätte. Das trifft aber nicht zu, sondern ist nur Ausdruck der stillschweigenden (aber unbegründeten) Vorgabe des Naturalismus als Standard oder Paradigma historischer Interpretationen. Es ist aber nicht statthaft, den Beweis für den eigenen Ansatz schuldig zu bleiben und vom Kontrahenten einen praktisch zwingenden Beweis zu verlangen (den es nicht geben kann), als habe dieser zu zeigen, dass eine natürliche Entstehungsgeschichte unter allen Umständen scheitere – eine Strategie, die bereits Charles Darwin verfolgte. Diese Beweislastumkehr wird weder der Sachlage noch erkenntnistheoretischen Grundsätzen gerecht und ist daher nicht gerechtfertigt.

Schweitzer analysiert den Schluss auf Design durch Nachweis von nichtreduzierbarer Komplexität (nach Michael Behe) bzw. von spezifizierter Komplexität (nach William Dembski) sowie den Analogieschluss auf Design. Dem Schluss auf Design stellt er Einwände der Kritiker entgegen und folgt ihnen weitgehend. Der Nachweis von nichtreduzierbarer und spezifizierter Komplexität sei nicht sicher möglich; auch der Analogieschluss sei unsicher und anfechtbar. In allen Schlussfolgerungen für Design gehe bereits Vorwissen bzw. Mutmaßungen über einen Designer oder Schöpfer ein, dessen schöpferisches Wirken man doch alleine auf der Basis von Naturbeobachtungen erschließen wolle. Auch der Ansatz des „spezifischen Designs“, der auf bestimmte mutmaßliche Eigenschaften des Schöpfers ausdrücklich Bezug nimmt, erlaube es nicht, auf die Existenz eines Designers aus der Naturbeobachtung zu schließen.

Schweitzer kommt zum Ergebnis, dass ein zwingender Schluss auf Design – ausgehend von Beobachtungen in der Natur – nicht möglich sei (argument to design). Nur wenn man bereits von einem Schöpfer ausgehe, könne man Bestätigungen für seine Existenz finden (argument from design). Das sei schon bei den alten Physikotheologen so gewesen (135ff.), nicht anders sei es bei den modernen Vertretern von Intelligent Design (234).5 Die Möglichkeit von Design sei durch die Naturforschung zwar nicht widerlegt, die Erklärung mit Design sei aber gegenüber Erklärungen ohne Design auch nicht im Vorteil.

Im Schlusskapitel stellt Schweitzer heraus, dass Intelligent Design insofern einen großen Schritt über die Physikotheologie mache, als der Fokus nicht so sehr auf die Zweckhaftigkeit biologischer Strukturen gelegt werde, sondern auf deren Verfasstheit bzw. Komplexität (252f.). Allerdings hängt doch das eine mit dem anderen eng zusammen, so dass sich diesbezüglich m. E. nur die Art der verwendeten Beispiele teilweise geändert hat. Schweitzer setzt sich für Dialog statt Konfrontation ein, zumal Intelligent Design mit einer ganzen Reihe verschiedene Ursprungskonzepte vereinbar ist (257ff.).6 Trotz der hier formulierten Kritik: Durch sein Buch macht er vor, wie das gelingen kann.


Hinweis

Eine ausführliche Kritik von Schweitzers Bewertung von Intelligent Design ist unter www.wort-und-wissen.de/info/rezens/b55.pdf verfügbar.


Anmerkungen

1 Ähnlich S. 256: „Mit seiner Abstammungslehre und der Entdeckung der natürlichen Selektion konnte Darwin eine mechanistische Erklärung mit größerem Erklärungspotential liefern.“ Bei Darwin war Selektion mit der Vererbung erworbener Merkmale verbunden und nur dadurch konnte er eine Alternative zum Design-Ansatz anbieten. Denn die individuell erworbenen Änderungen von Merkmalen und Funktionen werden seiner Auffassung nach vererbt und führen zu einer schrittweisen Umgestaltung und damit einhergehend zu einer optimierten Anpassung an die Umwelt. Die erworbenen Änderungen bleiben erhalten, wenn sie einen Selektionsvorteil bieten.
2 Es gibt namentlich in den letzten Jahren zahlreiche Evolutionsbiologen, die ausdrücklich feststellen, dass die Mechanismen für Makroevolution nicht aufgeklärt sind.
3 Auch das in diesem Zusammenhang oft zur Veranschaulichung verwendete Beispiel der Mausefalle wird einseitig zugunsten der Kritiker erläutert (219f.). Tatsachlich eignet sich das Vorgehen der Kritiker als Musterbeispiel dafür, dass sie das Konzept der nichtreduzierbaren Komplexität und das darauf aufgebaute Argument nicht korrekt rezipiert haben; Details dazu in: R. Junker (2008) Nichtreduzierbare Komplexität, www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/p1621.php
4 Vgl. aber Anm. 471, in der Schweitzer auf den Begriff „Beweis“ kurz eingeht. Das hätte in seiner Analyse einen eigenen Abschnitt verdient.
5 Z. B.: „Dembski findet intelligentes Design allein deshalb in der Natur, weil er bereits von der Existenz eines Designers, in seinem Fall Gott, ausgeht“ (234).
6 Schweitzer schreibt allerdings, dass die Abstammung von Arten von Intelligent Design nicht bestritten werde (249). Das trifft jedoch nicht generell zu, wie er auf S. 259 (auch in der dortigen instruktiven Tabelle) selber anmerkt, da Intelligent Design auch mit verschiedenen Spielarten des Kreationismus verbunden werden kann.


Studium Integrale Journal 23. Jg. Heft 2 - Oktober 2016